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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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verließen die Besprechung. Auf dem Flur zwinkerte Stangerup ihm zu und sagte auf dänisch, sie gehe ihren Mantel holen. Zumindest nahm Ratamo das an. Er hatte seine dänischen Kollegen gebeten, mit ihm englisch zu sprechen, aber Stangerup schien es zu genießen, daß sie ihn ärgern konnte. Er verstand Dänisch nur, wenn langsam und deutlich gesprochen wurde. Bei dieser hektischen Arbeit konnten sie sich aber keine Mißverständnisse leisten. Und auch keinen Flirt.
    Ratamo wartete im Foyer und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte in zwei Kiosken nach Kautabak gesucht, vergeblich.Der Rauch schmeckte bitter und betäubte den Geschmacks- und Geruchssinn stärker als Kautabak. Bei diesen Ermittlungen kam ihm etwas merkwürdig vor: Nichts war das, was es zu sein schien. Ketonen hatte irgend einmal gesagt, die Ermittlungen zu einem Verbrechen ähnelten einem Blick in die Sonne: Wenn man in die Sonne schaute, sah man in Wirklichkeit dahin, wo sie achteinhalb Minuten vorher gewesen war. So viel Zeit brauchte das Sonnenlicht, bis es die Erde erreichte. Ihn wunderte es auch, warum die Leute vom PET so wenig Interesse an einer Zusammenarbeit zeigten. In Ungarn hatte alles gut funktioniert. Vielleicht mochten es die Dänen nicht, daß ihnen irgendein neugieriger Außenstehender bei der Arbeit über die Schulter schaute. Das hätte ihm auch nicht gefallen.
    Es klingelte einmal kurz, als der Aufzug eintraf. »Erledigen wir das schnell, es ist sowieso umsonst«, sagte Stangerup vorwurfsvoll.
    Ihre Haltung ging Ratamo allmählich auf die Nerven. Er hätte ihren Widerwillen noch verstanden, wenn es für sie etwas anderes zu tun gäbe, das mehr Erfolg versprach. Aber vorläufig wirkten alle Hinweise mehr oder weniger vage. Dennoch mußten alle überprüft werden. Und außerdem war er bereit, sein ganzes Geld darauf zu setzen, daß sie im »Grand Marina« etwas finden würden.
    Es war fünfzehn Uhr sechzehn am Sonnabend, dem 28. September.

51
    Im Gästeverzeichnis des Hotels Grand Marina fand sich weder der Name von Attila Horvát noch der von Zoran Jugović oder Akseli Saarnivaara. Ratamo überprüfte das, obwohl er natürlich wußte, daß in diesen Kreisen nur ein Vollidiot ein Zimmer auf seinen eigenen Namen reservierenwürde. Sie hatten es nicht mit Amateuren zu tun. Stangerup sah man deutlich an, daß sie verärgert war.
    Ratamo zeigte der Angestellten an der Rezeption Fotos der Verdächtigen. Auf Horváts Bild reagierte die Frau sofort. »Ein Mann, der so aussieht, hat sich heute vormittag angemeldet, und zwar unter dem Namen …« Nervös tippte sie auf der Computertastatur.
    Die Frau muß erraten haben, wen wir suchen, dachte Ratamo, als er sah, wie ihre Hände zitterten. Der Besuch des Vorsitzenden der EU-Kommission in Dänemark war eine öffentliche Angelegenheit, über die Morde an den Kommissaren wurde in ganz Europa geredet, und die Ermittlerin des PET war mit ihrem Kollegen einem ausländischen Hotelgast auf der Spur. Ob die Frau danach wohl die Presse anrufen würde? Es war ein Wunder, daß die dänischen Medien noch nicht Wind davon bekommen hatten, was in Kopenhagen ablief.
    Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie den Namen fand: »Dieter Berger.«
    »Die Zimmernummer und den Schlüssel bitte«, verlangte Ratamo. Auf dem Namensschild an ihrem Revers las er »Karen«.
    Es war fünfzehn Uhr zweiunddreißig, als Stangerup Kontakt zu einem Einsatzkommando von Aktionsstyrke aufnahm. Jetzt wirkte ihr Gesichtsausdruck konzentriert.
    »Zweite Etage. Zimmer 2014«, sagte die Frau an der Rezeption.
    Ratamo schnappte Stangerup die Schlüsselkarte vor der Nase weg. Sie rannten die Treppe hinauf in die zweite Etage und suchten die Tür von Bergers Zimmer.
    Plötzlich stieß Ratamo die Dänin an und wies auf ein Rentnerehepaar, das gemächlich zum Aufzug ging. Er tat so, als würde er den Schlüssel suchen. Jedes unnötige Risiko mußte vermieden werden: Es konnte sein, daß sich Horvátmit Gewalt widersetzte und vielleicht nicht allein in seinem Zimmer war.
    Ratamo spürte das Echo seines Herzschlages in den Ohren. Mit seiner Waffe hätte er sich bedeutend sicherer gefühlt. Es beunruhigte ihn, daß er sich auf Stangerup verlassen mußte. Allerdings brauchte er diesmal nicht zu überlegen, ob er schießen würde, um zu töten, oder wohin er zielen sollte.
    Es klingelte einmal, als sich die Türen des Aufzugs schlossen. Der Flur war nun leer.
    Sie wollten nicht anklopfen, dann hätten sie den Vorteil durch den

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