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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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der Ministerrat und die Mitgliedstaaten dem Beitritt Ungarns zustimmten. Zum Glück blieb noch reichlich Zeit.
    Mitglied der Union konnten nur Staaten mit einer funktionierenden Marktwirtschaft werden. Horvát hatte der Kommission Dokumente zukommen lassen, die bewiesen,daß Ungarns Wirtschaft weder eine Marktwirtschaft noch ein funktionierendes System war. Er hatte vom Monopol der Mafia-Organisationen beim Erdölimport und von den Preiskartellen bei Kraftstoff, Baumaterial, Zigaretten und Alkohol berichtet. Und er hatte enthüllt, daß viele Banken und Kreditinstitute über Strohmänner und Holding-Gesellschaften mit den Kriminellen zusammenarbeiteten und ihnen bei der Geldwäsche halfen. Hinter den Kulissen beherrschte und kontrollierte die Mafia einen großen Teil der ungarischen Wirtschaft. Auch das hatte er geschrieben.
    Horvát nahm seine Gabel, die zwischen den gekochten Kartoffeln lag, und stopfte sich eine ganze hellgelbe Paprikaschote in den Mund.
    Die EU verlangte von den Beitrittskandidaten auch, daß sie über stabile Organe verfügten, die Demokratie und Menschenrechte garantierten. Horvát hatte in seinen Dokumenten offengelegt, daß in Ungarn die meisten Polizisten, Strafvollzugsbehörden und Richter Anweisungen und Geld von den kriminellen Organisationen entgegennahmen. Beweismaterial verschwand, Angeklagte wurden freigelassen, die Länge der Freiheitsstrafe war oft willkürlich, und Häftlinge wurden ohne Angabe von Gründen oder vorzeitig entlassen. Er hatte nachgewiesen, daß die Zollbeamten gegen Zahlung von Schmiergeldern den Schmuggel von Waren und Menschen nach Ungarn zuließen und daß EU-Fördermittel durch Betrug in Zusammenarbeit mit Beamten des Staates bei kriminellen Organisationen landeten. »
Viszonzás«,
das Prinzip »Eine Hand wäscht die andere«, und »
Hálapénz«,
»Schmiergeld«, sorgten dafür, daß die organisierte Kriminalität die ungarische Gesellschaft fest im Griff behielt.
    Natürlich hatte Horvát der Kommission nichts verraten, was seine eigenen künftigen Geschäfte erschweren würde. Namentlich hatte er in seiner Denunziation nur die ausländischen kriminellen Organisationen genannt, vor allemdie Ukrainer. Schon bald dürften die ukrainischen Bosse von »Krešatik« in Ungarn nicht einmal mehr auf dem Wochenmarkt Handel treiben. Die Behörden würden sie ausräuchern und aus dem Land jagen. Er würde die Alleinherrschaft von »Krešatik« übernehmen und zusammen mit der steinreichen Familie Mitrano die Geschäfte der Organisation erweitern.
    Mike Mitrano war der einzige Ausländer, den Horvát brauchte. Auf gar keinen Fall durfte Mitrano erfahren, daß er versuchte, den ungarischen EU-Beitritt hinauszuschieben. Der Yankee wartete sehnsüchtig darauf, daß Ungarn Mitglied der Union wurde, ihm lief schon jetzt das Wasser im Mund zusammen. Mitrano hatte enorme Geldmengen in Ungarn investiert, um die Schmuggelwege für Drogen und Frauen in das Land zu sichern. Wenn Ungarn der Union beitrat, könnte Mitrano seine Aktivitäten mühelos von Budapest aus auf das Gebiet der gesamten EU ausdehnen. Horvát wußte jedoch, daß sich Mitrano nicht aus Ungarn zurückzöge, selbst wenn sich der Beitritt um ein paar Jahre verzögern würde. In der Zeit könnte er mit Mitrano zusammen Dutzende, wenn nicht Hunderte Millionen Dollar verdienen. Mitrano hatte zugesagt, alle Frauen zu kaufen, die Horvát liefern konnte.
    »
Szia «
, rief jemand. Anna brachte endlich den Nachtisch. Zur Mittagszeit war das »Alföldi« brechend voll. Dann dauerte sogar der spezielle Service für einen besonderen Gast eine Weile. Horvát war jedoch sofort besänftigt, als seine Schwester ihm auf die Schulter klopfte und er sich über den Gundel Palacsinta hermachen konnte. Die mit Nüssen und Rosinen gefüllten Eierkuchen schwammen in einer Soße aus Rum und Schokolade. Irgendein Trottel goß immer zuviel Soße auf die Eierkuchen. Gierig verschlang Horvát die Delikatesse.
    Seine Sorgen kehrten zurück. Schon reichlich zwei Monate waren vergangen, seit er die EU-Kommission mit Informationengefüttert hatte. Doch in den Nachrichten wurde immer noch nicht darüber berichtet, daß der ungarische Aufnahmeantrag auf Eis gelegt oder der Zeitplan für den Beitritt überarbeitet wurde. Offensichtlich bereitete die Kommission ihre Entscheidungen mit äußerster Sorgfalt vor.
    Anna brachte ihm eine Tasse Kaffee und setzte sich einen Augenblick zu ihrem Bruder, obwohl in der Gaststätte Hochbetrieb herrschte. Der

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