Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
Grad.
    »Die Kettenhunde der Plutokratie!« begrüßte Varis die Ankömmlinge. Die schwarz gefärbten Haare des hageren, etwa vierzigjährigen Mannes klebten am Kopf, er rieb sich sein stoppliges Kinn. Sein Gesichtsausdruck verriet Entschlossenheit und Verachtung.
    Wrede hatte nicht daran gedacht, daß die zahlreichen Neonröhren an der Decke den kleinen Raum aufheizten. Er schwitzte in seinem Westover. Auf dem Tisch surrte ein Recorder, Wrede diktierte das Datum, die Uhrzeit und die Namen der Anwesenden und stellte fest, daß man Varis für ein Gespräch zugeführt hatte. Er war nicht verhaftet.
    Der Schotte ließ Kuurma einige Fragen stellen: Es mußte getestet werden, inwieweit Varis bereit war zu kooperieren. Er antwortete kurz, aber sachlich, seine Reaktionen verrieten nichts. Dabei betrachtete er seine Nagelhaut, die sich in einem tadellosen Zustand befand.
    Schließlich kam Wrede zur Sache. »Was haben Sie am Samstagmorgen zwischen acht und neun Uhr und gestern vormittag zwischen elf und zwölf Uhr gemacht?«
    Varis schnaubte verächtlich: »Du Idiot glaubst doch wohl nicht, daß ich etwas mit diesen Morden an den Kommissaren zu tun habe?« Er lächelte überheblich. »Ismo Johannes Varis. Johannes der Rächer.« Er lachte gequält. »Die Gewichtsklasse, in der ich ringe, ist nicht ganz so schwer. Am Samstagmorgen habe ich eine Besprechung des ›Global Block‹ geleitet, und gestern habe ich die Demonstration gegen die OECD-Konferenz in Sevilla koordiniert. Es ist nicht einfach, die Aktivitäten von Hunderten Menschen zu organisieren; ich hatte nicht sonderlich viel Zeit, auf die Uhrzu schauen. Zeugen werden sich allerdings finden, wenn ich mit den anderen Mitgliedern des ›Global Block‹ reden kann«, sagte Varis selbstbewußt.
    Wrede lachte kurz. »Gerade deshalb wurden Sie ja hierhergebracht. Jetzt können Sie sich kein Alibi organisieren.«
    »Warum sind Sie von Tallinn nach Malaga geflogen?« fragte Kuurma. Sie ließ ihren Rosenkranz durch die Finger gleiten, bemerkte, daß Varis ihr zuschaute, und wickelte sich die Perlenkette ums Handgelenk.
    »Ich kann meine Flüge nicht mit Euros der Steuerzahler finanzieren«, zischte Varis. »Das war die billigste Route.«
    »Und du bist über Stockholm zurückgeflogen. Warum?« fuhr Kuurma fort.
    Der Rückflug nach Stockholm sei der einzige gewesen, der in seinen Zeitplan gepaßt habe. Heute abend finde eine Sitzung statt, in der die nächste Demonstration besprochen werden solle. Morgen früh gehe er schon wieder auf Reisen. Varis entdeckte ein Haar auf seinem Ärmel, zupfte es weg und ließ es auf den Fußboden fallen.
    Wrede wunderte sich über die Offenheit von Varis. »Die nächste Reise dürfte für Sie erst einmal ausfallen. Haben Ihre Kollegen vom ›Global Block‹ den Anschlag auf die Banco Bilbao ausgeführt, damit Sie ein Alibi für die Zeit des Mordes an Kommissar Sundström haben?«
    »Von welcher komischen Bank redest du?« spottete Varis.
    »Es wird sicher festgestellt werden, daß die Brandsätze die gleichen sind wie jene, die der ›Global Block‹ in Prag und Seattle verwendet hat. Bilden Sie sich tatsächlich ein, Sie könnten die Welt mit Brandsätzen und Gewalt verbessern?« erwiderte Wrede verärgert.
    »Du hast es gerade nötig, von Gewalt zu reden. Die stört die Polizei nämlich nur dann, wenn jemand anders sie ausübt. Warum beanstandest du nicht, daß die Polizei in Göteborg und Genf Dutzende Demonstranten mißhandelt hat?«
    Varis wurde ernst, als er sah, wie sich Wredes ohnehin schon gerötetes Gesicht dunkelrot verfärbte. »Ich akzeptiere den Anschlag auf die Banco Bilbao vollkommen, aber ich habe nichts damit zu tun.« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, er wirkte jetzt konzentriert. »Begreift ihr nicht, daß die großen Banken die Fahnenträger der Globalisierung sind? Die Direktoren der fünf weltgrößten Banken beherrschen das globale Imperium zusammen mit den Generaldirektoren einiger internationaler Riesenkonzerne, mit dem Internationalen Währungsfond, der Weltbank und den G8-Staaten.«
    Ratamo hörte Varis zu und mußte an seinen alten Sportkameraden Tyrä aus dem Fußballverein denken. Der Junge war ein phänomenaler Lügner gewesen. Erst mit vierzehn Jahren hatte Ratamo begriffen, daß Raissa Smetanina keine einhundertvierzig Kilo beim Bankdrücken schaffte und daß Apfelsinen und Milch keine Antikörper enthielten, deren gleichzeitiger Verzehr lebensgefährlich war. In dem, was Varis sagte, steckte allerdings

Weitere Kostenlose Bücher