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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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»Einen Unschuldigen machst auch du nicht zum Schuldigen. Wenn du dich für so einen wichtigen Typen hältst, dann versuche doch den Hund von irgend jemand anders herumzukommandieren.«

20
    Pastor änderte seine Haltung, obgleich er wußte, daß es nichts brachte. Die Unterlage war hart wie das Schicksal eines Aussätzigen. Er strich über sein hakenförmiges Kinn und schnaubte wütend. Vor anderthalb Tagen hatte er sich das letzte Mal rasiert. Laut Bagheera waren Bartstoppeln ein Zeichen der Unsauberkeit und sogar des beginnenden Verfalls.
    Pastor sehnte sich nach Hannele. Er hatte seine Liebste nicht mehr angerufen, seit das Exekutionskommando vor drei Wochen in die Endphase ihrer Operation eingetreten war. Er wagte es nicht, sie anzurufen: Schon im Sommer hatte er sich vor lauter Aufregung verplappert und vonDrina und »Krešatik« geredet und erzählt, daß den Kommissaren bald etwas geschehen würde. Waren ihm auch die Namen der Städte herausgerutscht?
    Er dachte an Hannele. Die Sehnsucht brannte, obwohl er ans Alleinsein gewöhnt war. Als die Verwandten, Freunde, Geschäftsfreunde und Kollegen und die Schmeichler und Nutznießer nach dem Konkurs von »Finska Järn« nichts mehr von ihm wissen wollten, hatte er eine erdrückende Einsamkeit empfunden. Drina war auf den Balkan verschwunden, die Frauen hatten ihr Interesse an ihm verloren, und Kinder besaß er nicht. Es dauerte eine geraume Zeit, bis er sein Schicksal angenommen hatte, dann wurde die Einsamkeit bedeutungslos. Ihm war klargeworden, daß die Menschen zu sehr für ihre Freunde und Kinder lebten und sie für den Sinn ihres Lebens hielten. Jede Generation gab die Frage, welchen Sinn das Leben hatte, unbeantwortet an die nächste weiter. Er nicht.
    Hatte Drina schon von seiner Aktion mit dem Farbspray gehört? Es ärgerte ihn, daß er auch ihm nicht erzählen konnte, warum er in Sevilla das Wort »Hinta« an die Hauswand geschrieben hatte. Sollte er den Freund damit verärgert haben, dann war das der Preis dafür, daß die Finnen erfuhren, wie er gegen die Eroberer kämpfte. Und dieser Preis war niedrig und unvermeidlich.
    Pastor vertraute auf seine Fähigkeit, mit Drina richtig umzugehen, schließlich besaß er auf dem Gebiet fast dreißig Jahre Erfahrung. Wenn Drina ihn anrief, würde er das Gespräch auf andere Dinge lenken. Zum Beispiel darauf, daß Ljubo, der Chef des Exekutionskommandos, einen Mann aus Sevilla den Transporter hatte fahren lassen. Die Inszenierung des Mordes an Sundström als Unfall hatten Ljubo und der spanische Fahrer versaut, nicht er.
    Das Wichtigste hatten sie dennoch auch in Sevilla erreicht: Der EU-Kommissar war tot. Sundström repräsentierte all das, wogegen Pastor kämpfte. Der Schwedenstreber hatte inseinem ganzen Leben nicht einen Tag ehrlich gearbeitet. Er hatte Macht, Verantwortung und Geld an sich gerissen, ohne sich auch nur im geringsten um das Wohl des Volkes zu kümmern. Genau wie seine finnischen Amtsbrüder.
    Würde es ihm gelingen, noch zwei andere Botschaften zu hinterlassen? Die Polizei stellte jetzt tatsächlich eine Gefahr dar, obgleich sie keine greifbaren Beweise gegen ihn hatte. Die Behörden waren heutzutage so ineffektiv, daß es einem schon fast leid tun konnte. Die begabtesten jungen Leute traten nicht mehr in den Dienst des Staates, weil der bei der Höhe des Gehalts nicht mit den privaten Unternehmen konkurrieren konnte. Und etwas anderes als Geld interessierte die jungen Leute nicht mehr.
    Er dachte über seine Gläubiger nach, über den von Geldgier besessenen Esten und die Zinseintreiber, die sich nicht um Gesetze scherten. Auch ihnen mußte eine Lektion erteilt werden. Die Gläubiger und die Gerichtsvollzieher beim Konkurs seiner Firma waren im Vergleich zu den Zinseintreibern, die der Este ihm auf den Hals gehetzt hatte, wahre Engel gewesen. Die Männer von »Brimstone MC« brauchten sich nicht um Zwangsvollstreckungsprotokolle, Armutszeugnisse oder Urteile von Konkursverfahren zu kümmern: Sie handelten außerhalb des Gesetzes. Die Männer hatten ihm im Juli angedroht, daß seine nächste Mißhandlung die letzte sein würde, wenn er das Geld nicht auftrieb. Er glaubte ihnen. Diese rabiaten Hitzköpfe waren Verrückte, man mußte sie ernst nehmen. Sie hatten ihn mit Aluminiumrohren und Baseballschlägern halbtot geschlagen, auch einige Knochen waren gebrochen.
    Es lohnte sich nicht, die Zinseintreiber bei der Polizei anzuzeigen. Der Schutz einfacher Bürger interessierte die Behörden nicht.

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