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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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mehr Vernünftiges als in Tyräs Geschichten.
    Der Neoradikale spuckte Meinungen aus wie eine Wahlwerbung: Die Großkonzerne brächten einen ihnen genehmen Präsidenten oder Ministerpräsidenten an die Macht und erhielten als Lohn eine politische Marionette. Die Mitglieder der Parlamente würden bestochen oder erpreßt, bis sie einen Standpunkt vertraten, der den Interessen der Konzerne entsprach. Die Großunternehmen schlössen Fabriken oder verlagerten sie ins Ausland und zerstörten so Individuen, Gemeinschaften und sogar ganze Staaten. Früher übten die Staaten mit Gewalt Druck aufeinander aus, jetzt setzten die Großkonzerne die Staaten mit Geld unter Druck. Das Ergebnis sei am Ende das gleiche: Die Schwachen wurden unterdrückt.
    Der Gesichtsausdruck von Varis hatte fanatische Züge angenommen.Seine Brandrede hallte von den nackten Betonwänden wider wie aus Lautsprechern. Die Welthandelsorganisation, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die anderen internationalen Finanzinstitute würden die Staaten zwingen, die Sozialeinrichtungen und -leistungen und die Industrie zu privatisieren. Das Niveau der gesundheitlichen Betreuung sinke, oder die Kosten stiegen maßlos, und beim sozialen Schutz der Arbeitnehmer würden allenthalben Abstriche gemacht.
    »Das ist der globale Kapitalismus. Die Alternative ist der ›Global Block‹. Wir wollen eine weltweite politische Massenbewegung gegen die Globalisierung und die Macht der Großkonzerne organisieren. Wir vertreten eine gerechte Sache. Die intelligenten Menschen haben das längst begriffen. Da könnt ihr beispielsweise Joseph Stiglitz fragen, den Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.«
    Die Mitarbeiter der SUPO starrten den Mann verblüfft an. Er wirkte wie eine Kombination aus Politiker und Streikgeneral. Oder wollte er sie nur täuschen?
    Varis setzte seinen Vortrag unbeirrt fort: Es genüge nicht, daß sich die einzelnen Weltverbesserer dem Kampf widmeten, gebraucht werde eine organisierte politische Bewegung. Außerdem seien Vorstellungen von einem neuen sozialen und ökonomischen System nötig. Die Staaten und ihre repräsentativen Institutionen könnten keine Alternativen mehr bieten. Sie würden schon von den Großunternehmen und den Banken an der Leine geführt. Der »Global Block« und ähnliche Bewegungen seien die Politiker der Zukunft. »Wir geben nicht Milliarden aus für die Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungswaffen, für die Entwicklung und Vermarktung unsinniger Luxusprodukte oder für die Beraterhonorare der Piranhas, die Firmenübernahmen planen. Wir befreien die besten Erfindungen in der Genetik und Medizin von der Patenttyrannei und rettenMillionen Menschen vor dem Tod durch Krankheiten, die leicht zu heilen wären.«
    Kuurma schien sich ernsthaft für die Thesen von Varis zu interessieren. »Durch die Globalisierung ist ja wohl in den letzten Jahren auch etwas Gutes erreicht worden.«
    »Die Notwendigkeit der Globalisierung wird damit verteidigt, daß angeblich der Lebensstandard steigt. Das ist sogar dann eine Lüge, wenn man es mit dem Maßstab der Kapitalisten mißt. Als ob wachsende Einkommen einen erhöhten Wohlstand bedeuten würden.« Nach Auffassung von Varis verkauften sich die Menschen im gegenwärtigen System als Sklaven an ihren Arbeitgeber und erhielten dafür ihren Lohn. Der Kapitalismus und die Marktwirtschaft seien als Wirtschaft getarnte Politik. Erst wecke man bei den Menschen das Bedürfnis nach Geld, und dann werde ihr Wunsch, Geld zu verdienen, ausgenutzt. Schon war der Teufelskreis fertig, und er würde erst enden, wenn die Menschen bereit wären, ihn zu sprengen. Der Drogenmißbrauch und die Zahl der Scheidungen nähmen ständig zu. Glücklich fühle sich niemand mehr. Alle seien nur Teile einer Höllenmaschine. »Und Schrauben haben keine Gefühle.« Damit beendete Varis seine Brandrede.
    Zum Erstaunen ihrer Kollegen nickte Kuurma. »In den westlichen Ländern sind Armut und Hungertod aber verschwunden«, stellte sie fest und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war seltsam, daß die Hitze anscheinend allen zu schaffen machte, nur dem Verhörten nicht.
    »Der typische Einwurf eines kapitalistischen Unterdrückers. Und es stimmt nicht einmal«, konstatierte Varis gelassen.
    Ratamo beschloß, das Thema zu wechseln. »Was für eine Meinung haben Sie zu den Morden an den Kommissaren?«
    »Eine Arbeit, die eine glatte Eins verdient.« Varis sagte, er sei nicht für eine

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