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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Kuurma wußte sicher das meiste über Riitta. Und Mütter redeten bekanntlich gern über ihre Kinder, wenn es sein mußte auch mit einer Wand.
     
    »Saluti«,
Ratamo erwiderte die Begrüßung, nahm einen kräftigen Schluck vom Campari Juice und versuchte seinen Blick von Claudia Kuurma abzuwenden. Er hatte sich die ehemalige Solo-Cellistin des Rundfunksinfonieorchesters als stilvoll ergraute italienische Schönheit vorgestellt, doch Riittas Mutter erinnerte eher an die Vollblut-Bäuerinnen in den Don-Camillo-Filmen. Warum hatte er nicht daran gedacht, vor dem Besuch in Riittas Fotoalben zu blättern? Er spürte, daß er einen Priem brauchte, aber Riitta hatte ihn beschworen, die Zeit des Besuchs ohne »General« durchzustehen.
    Nelli sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die ihr die Kuurmas entgegenbrachten. »In diesem Alter sind Mädchen viel intelligenter als Jungs«, sagte Claudia Kuurma und fügte dann kaum hörbar hinzu: »In jedem anderen Alter auch.« Dann erhielt Nelli Anweisungen für ihre künftige Laufbahn als Musikerin. Claudia Kuurma ging die besten Musikschulen in der Hauptstadt und ihrer Umgebung und deren beste Lehrer durch, sie erklärte Nelli die Vor- und Nachteile derSibelius-Akademie, das Niveau der verschiedenen Sinfonieorchester und den Nutzen eines Auslandsstudiums und der Arbeit im Ausland vor einer Solokarriere. Sie untersuchte die Geige des Mädchens sachkundig und befragte Nelli zu ihrem Hobby. Riittas Mutter war resolut und laut. Es war nicht schwer zu erraten, wer in diesem Haushalt die Fernbedienung kontrollierte. Im Gespräch wurden auch die Morde an den Kommissaren gestreift, aber den Kuurmas war klar, daß die Mitarbeiter der SUPO darüber nicht sprechen durften.
    Ratamo schaute sich um. Im allgemeinen sagte eine Wohnung viel über ihre Bewohner aus. Er vermutete, daß nur eine Reinemachfrau die Mühe auf sich nahm, alle Flächen so penibel sauber zu halten. Selbst auf den zahllosen gläsernen Schmuckgegenständen war kein Staubkorn zu sehen.
    Er hob einen kleinen Aschenbecher an – Glas aus Murano. An den Wänden der Bibliothek standen Regale, die bis in den hintersten Winkel mit Büchern vollgestopft waren. Außer ihnen fanden in dem Zimmer nur zwei Sessel, ein Notenständer, ein Cello und dessen Koffer Platz; Claudia Kuurma sorgte anscheinend auch noch als Rentnerin dafür, daß ihre Fähigkeiten erhalten blieben. Ratamo kehrte ins Wohnzimmer zurück und betrachtete die orientalischen Teppiche, den Kronleuchter aus Kristall, den Eßtisch aus Edelholz und die elegante Couchgarnitur. Gutbürgerlich in Reinform.
    Die beiden Männer machten sich miteinander bekannt. Ilmari Kuurma, seit kurzem pensionierter Gymnasialdirektor, machte einen ruhigen und sympathischen Eindruck. Er erzählte voller Begeisterung, daß er an seiner Dissertation arbeite. Die beschäftigte sich damit, wie das nationale Heer in Schweden-Finnland während des Dreißigjährigen Krieges unterhalten und besoldet wurde. Er hatte die Dissertation schon in den sechziger Jahren begonnen, mußte seine Pläneaber aufgeben, nachdem er Riittas Mutter kennengelernt hatte. Claudia studierte, und deshalb mußte Ilmari als Geschichtslehrer arbeiten. Dann wurde Riitta geboren. Erst jetzt fand er die Zeit, seine Dissertation fertigzustellen. Danach erwähnte der Hausherr, daß er angelte. Ratamo freute sich: Endlich ein Thema, zu dem er etwas wußte. Wenn er in der Sommerhütte auf den Schären vor Tammisaari war, wässerte er leidenschaftlich gern Köder, obgleich er nie etwas fing.
    Die Anglergeschichten wurden unterbrochen, als Claudia Kuurma ihrem Mann einen befehlenden Blick zuwarf und Ilmari daraufhin ganz ruhig in die Küche ging. Ratamo hatte den Eindruck, daß Riittas Vater sehr unter dem Pantoffel stand. Ihm würde es nicht so ergehen wie dem armen Ilmari, obwohl Riitta in vieler Hinsicht ihrer Mutter ähnelte. Er war es gewöhnt, sich nicht unterzuordnen. Etwas anderes bereitete ihm mehr Sorgen: Wie sollten zwei starke Persönlichkeiten eine funktionierende Partnerschaftsbeziehung aufbauen, wenn beide nicht lernten nachzugeben?
    Die Gäste wurden zu Tisch gebeten. Die Tafel wirkte stilvoll: Kristallgläser, das Geschirr altehrwürdiges Porzellan von Arabia und das Besteck aus Silber. Prächtig. Als Vorspeise werde ein Pesto-Salat serviert und als Hauptspeise Pasta nach Syrakuser Art, verkündete Claudia Kuurma.
    Der Chianti Colli Senesi, ein Rotwein aus der Toscana, schmeichelte Ratamos Geschmacksnerven nicht. Seine

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