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Finnisches Requiem

Finnisches Requiem

Titel: Finnisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Wenn ein Politiker oder ein anderer Prominenter Opfer der Zinseintreiber würde, dann hätte man sofort Komitees und Arbeitsgruppen gebildet und die Polizei angewiesen, das Problem im Nu aus der Welt zu schaffen.
    Jetzt war er für den Besuch der Zinseintreiber im Juni und die Mißhandlung dankbar. Das gab ihm den Anstoß zum Handeln. Sein Einsiedlerleben konnte er nicht weiterführen. Er mußte sich rächen.
    Bei diesen Gedanken empfand er ein solch erhabenes Gefühl, daß ihm für einen Augenblick schwindlig wurde. Er kämpfte auch für Kriminelle wie die Mitglieder von »Brimstone MC«. Er kämpfte für alle Finnen. Kommenden Generationen würde er ein Beispiel geben, so wie es die Helden der Vergangenheit getan hatten. Sein Name würde wie der von Lalli, Jaakko Ilkka, Eugen Schauman und Lennart Hohenthal in die Geschichte eingehen.
    Er ließ seinen Gedanken freien Lauf. Aus der Erinnerung tauchten die Gesichter vieler Männer auf, die an seinem Schicksal schuld waren. Als letztes blieb das Bild des ehemaligen Ministerpräsidenten auf der Netzhaut hängen. Jenes Mannes also, der die größte Schuld an der Vernichtung seiner Existenz trug. Der Ex-Ministerpräsident hatte Finnland mit seiner verantwortungslosen Wirtschaftspolitik kopfüber in die Krise geführt; damals begann man, Finnland mit Gewalt für die EU tauglich zu machen. Der Mann hatte die finnische Wirtschaft so in die Misere getrieben, daß die Finnmark abgewertet werden mußte, um die Exportindustrie zu stützen. Der Verkauf Finnlands wurde eingeleitet. Und die Vernichtung seiner Firma und seiner Existenz.
    Pastor legte die Brille auf den Fußboden, zupfte ein Fädchen vom Kopfkissen, drehte sich auf die Seite und beruhigte sich. Er war zu allem fähig.

21
    Der dickbäuchige Gartenzwerg auf dem Fensterbrett starrte Ratamo an, und der schaute auf die Brüste, die vor seinem Gesicht auf und nieder wippten. Die Eckpfosten des Eichenbettesschwankten im gleichen Rhythmus wie die beiden Körper, bis sie für einen Augenblick erstarrten. Riitta bog den Rücken weit nach hinten, dann schmiegte sie sich an ihn, ihr Haar bedeckte sein Gesicht. Riitta duftete besser als jedes Parfüm.
    Plötzlich war zwischen ihnen alles wieder in Ordnung. Es hatte genügt, Riitta zu sagen, er habe mit Himoaalto und Seija ein langes Gespräch geführt. Außerdem hatte er ihr versprochen, daß Himoaalto sie nachts nicht mehr heimsuchen würde. Nun mußte er nur hoffen, daß es auch so kam. Er war glücklich, weil nun Frieden herrschte, aber er wunderte sich auch, wie dünn der Schleier zwischen Streit und Harmonie war. Riitta glaubte ja wohl nicht, daß der Weg zum Herzen eines Mannes über die Leistengegend führte. War er gerade belohnt worden?
    »Wer zuerst im Bad ist, kann duschen. Es ist gleich sechs. Wir müssen Nelli von der Orchesterprobe abholen«, sagte Riitta und streichelte den Bauch ihres Geliebten.
    Ratamo hätte gern noch eine Weile dieses warme Wohlgefühl genossen. Nun, da die Spannungen zwischen ihnen verschwunden waren, wirkten ihre Streitereien noch dümmer. Er stand auf, dehnte und streckte sich und entdeckte ein Eichhörnchen, das über den Asphalt huschte. Fast jedesmal, wenn er zufällig zum Fenster hinausschaute, war der unglaublich emsige Meißelzahn draußen unterwegs.
    Die heiße Dusche entspannte ihn noch mehr. Das selbstsichere Gesicht von Ismo Varis kam ihm in den Sinn. Ratamo neigte leider dazu, die Menschen in gute und schlechte, in sympathische und unsympathische einzuteilen, aber Varis schien in keine Schublade zu passen. Möglicherweise vertrat der Mann eine richtige Sache, doch was er tat, war ungesetzlich. Oder heiligte der Zweck die Mittel?
    Er bekam Seife in die Augen. Es brannte. Sorgfältig spülte er seine Augen. Sie sollten nicht gerötet aussehen: ClaudiaKuurma könnte denken, daß er einen Kater hatte. Seit ewigen Zeiten hatte Ratamo keinem Treffen so entgegengefiebert wie dem mit Riittas Eltern. Bisher hatte er nur einige Freunde seiner Lebensgefährtin getroffen, und von Riittas Vergangenheit wußte er nicht viel. Manchmal hatte er das Gefühl, daß sie ihm etwas verheimlichte. So eine energische und lebenslustige Frau dürfte in ihrer Jugend kaum immer nur Spitze geklöppelt haben. Ihn interessierten auch die Männer, mit denen Riitta früher zusammen gewesen war. Er hatte Gerüchte über eine ernsthafte Jugendliebe gehört, Riitta sprach jedoch nie davon. Wer weiß, vielleicht funkte es in dieser Beziehung immer noch. Claudia

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