Finnisches Roulette
überrollen.
Forster warf das Telefon aufs Bett und ging ans Fenster seiner Suite im Hotel »Due Torri«. Er zündete seine Pfeife an, nahm ein paar Züge, atmete den Rauch genußvoll ein und sah im Spiegel, wie die Glut seine Nase rot färbte. Von der Piazza di Sant’Anastasia drang der Lärm der Scooter herein. Die Schönheit der Landschaft, die von den Ziegeldächern der Altstadt rötlich gefärbt wurde, stimmte Forster noch niedergeschlagener.
Anna war kranker als je zuvor, nur die Träume von einem ALS-Medikament und vom ewigen Leben hielten sie am Leben. Forster wußte, daß diese Träume nicht sterben durften. Er mußte die Angelegenheit in Ordnung bringen, bevor jede Hilfe für Anna zu spät kam.
Anna mußte die Mehrheit der Aktien des Unternehmens bekommen, sonst wäre der Eigentümer von Future Ltd. in der Lage, Annas Bestrebungen im Unternehmen immer dann zu vereiteln, wenn er Eero Ojala und Sabine Halberstam auf seiner Seite hatte. Forster nahm an, daß genau der Fall ziemlich oft eintreten würde, denn Sabine lehnte die für Anna lebenswichtigen Forschungsprojekte ab, und Eero Ojala würde sich kaum jemals mit seiner verhaßten Tanteverbünden. Gemeinsam könnten Future Ltd., Sabine und Eero dafür sorgen, daß die Untersuchungen zur Verlängerung der Lebensdauer und das ALS-Forschungsprogramm eingestellt wurden. Ein derartiges Risiko konnte er nicht akzeptieren, es würde bedeuten, daß er Anna verlor.
Die Kirchenglocken dröhnten, und die Menschen strömten aus der Kirche Sant’Anastasia ins Freie. Forster beobachtete, wie entspannt und locker die Italiener über den Platz schlenderten, keiner schien es eilig zu haben. Er fluchte leise. Der Erfolg war so nahe gewesen: Ohne die Schießerei hätte Ojala seine Aktien gegen das Gemälde von Schjerfbeck eingetauscht. Zu seiner Überraschung bemerkte Forster, daß er sich auch ärgerte, nicht mehr in die Rolle des Alfredo Cavanna schlüpfen zu können.
Das Brodeln im Pfeifenkopf verriet, daß er den Tabak vor Wut im Eiltempo geraucht hatte. Er legte die Safferling-Pfeife auf den Rand des Aschenbechers. Es war Zeit, auf den Plan B zurückzugreifen. Der »Debniki«-Mann in Finnland hatte berichtet, daß Laura bei der Sicherheitspolizei gewesen war. Forster vermutete, daß sie den Behörden erzählt hatte, was sie wußte, und auch ihrem Bruder schon bald alles verraten würde. Wenn Eero Ojala hörte, was Anna mit Berninger, Sami Rossi und Laura gemacht hatte, würde der Kunsthistoriker Anna seine Aktien ganz gewiß nicht verkaufen. Deswegen lohnte sich der Versuch nicht mehr, Ojala die Aktien durch Betrug abzunehmen. Jetzt half nur noch Erpressung. Es war Glück im Unglück, daß der Mann bewußtlos im Krankenhaus lag. Dort könnten ihn die Gangster von »Debniki« schützen, bis er, Forster, die Dinge geregelt hatte.
Forster war überzeugt, daß hinter den Versuchen, Laura und Eero zu beseitigen, der Eigentümer von Future Ltd. steckte, der so verhindern wollte, daß Anna die Aktien bekam. Aber wer zum Teufel schützte die beiden Finnen?Sein Blick fiel auf einen Mann mit Baskenmütze, der, gestützt auf einen Spazierstock, über den Platz ging. Forster hatte das Gefühl, daß er irgend etwas nicht verstand, was er hätte begreifen müssen.
27
Ratamo stieg in der Ratakatu 12 die Treppe hinauf in den vierten Stock, dabei schweiften seine Gedanken ab zu der bevorstehenden Feier am Abend. Er müßte sich allerdings zurückhalten, weil er am nächsten Morgen mit Laura Rossi nach Verona flog. Ob Laura auch Reggae-Musik mochte? Ihre Rastalocken deuteten jedenfalls darauf hin. Ratamo warf einen Blick auf seine Uhr und erhöhte das Tempo, als er bemerkte, daß er zur letzten Besprechung des Abends schon zehn Minuten zu spät war.
Saara Lukkari und Erik Wrede warteten im Raum A 310. Der Schotte sah zornig aus.
Ratamo kramte in seinem Vorrat an Ausreden. »Ich konnte das Telefongespräch einfach nicht …«
»Laß es«, sagte Wrede und beherrschte sich diesmal anscheinend. Er hatte seine Anzughosen gegen schwarze Jeans eingetauscht und trug unter dem Westover ein T-Shirt.
»Bald geht’s los. Das wird ein toller Abend«, sagte Saara Lukkari, die es vor Begeisterung kaum noch erwarten konnte.
»Jetzt wollen wir erst mal diese Besprechung hinter uns bringen. Beginnen wir gleich mit der Situation in Polen. Schieß los!« Wrede zeigte mit dem Finger auf Ratamo.
Ratamo begann mit seinem Anruf beim Anwalt Hans Degerman. »Der Jurist weiß alles mögliche.«
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