Finns Welt - 02 - Finn reloaded
erzählt. Das haut dir die Wirbelsäule kaputt.«
Da hat er recht. Mir schmerzt der Rücken schon vom Hinsehen. Aber diese Schwimmer sind hart. Insgesamt machen sie drei Durchgänge. Für sie sind wir Jungs in pinken Riesenhosen nur ein paar putzige Nemofische, die sich an der Scheibe ihres Aquariums die Nasen platt drücken.
»Unglaublich«, sagt Lukas. »Dagegen ist das Konditionstraining beim Fußball Pillepalle.«
Wir sehen uns nicht an beim Sprechen. Unser Blick klebt auf den Körpern der Schwimmer. Muskeln überall. In den Beinen, den Armen, am Bauch. Sinnvolle Muskeln. Muskeln, die eingesetzt werden können, um durchs Wasser zu pflügen und Menschen zu retten. Keine Muskeln, die man vorm Spiegel im Studio abknutscht. Als die drei Männer fertig sind, gehen sie zu den Springböcken, schauen sich an, zählen bis drei, springen ins Wasser und schwimmen zwei Bahnen um die Wette. Wenn man das noch schwimmen nennen kann. Sie schießen durch das Wasser wie Rennboote. Der Blonde geht schnell in Führung, verliert aber viel Zeit bei der Kopfüberkehrtwende am Rand. Der Rothaarige überholt ihn, da er sich so schnell drehen kann wie eine Videospielfigur beim Saltosprung. Am Ende gewinnt der Schwarzhaarige. Er schwamm die ganze Zeit gleich schnell und hat am Ende noch Kraft übrig für einen überraschenden Sprint.
Sie stemmen sich wieder aus dem Wasser. Der Schwarzhaarige lächelt zufrieden. Die beiden anderen schütteln den Kopf. Der Blonde wirft wütend seine Schwimmbrille auf den Boden. Sie nehmen die Sache sehr ernst.
»Wolfgang ist mit mir immer Laufen gegangen«, erinnert sich Flo. Beim Sprechen drückt sein Kiefer den Kopf auf dem Unterarm auf und ab. »Im Wald. Jeden Samstagvormittag. Ich rieche das noch. Die Kiefernnadeln und das Harz. Oder wie sich der Boden unter den Sohlen immer anders anfühlt. Mal weich wie eine Turnmatte aus Erde. Mal hart, weil man auf Äste oder Tannenzapfen tritt.«
»Und jetzt rennst du nur noch meilenweit durch die World of Warcraft« ,sagt Lukas. Flo wehrt sich nicht gegen die Bemerkung, weil sie stimmt. Sophia mag es, wenn Männer joggen, aber sie würde niemals selbst durch den Wald hasten. Sie macht Aqua-Thai-Chi.
»Meine Mutter sagt immer, man soll mit seinen Bedürfnissen im Einklang leben und seiner Harmonie folgen. Was soll das denn heißen? Ich mochte das, wenn Wolfgang mich am Samstag in den Wald geschleppt hat. Gerade wenn ich dachte, ich hätte keine Lust! Ich hatte nämlich doch Lust, wenn ich einmal da war. Die war vorher nur verborgen gewesen. Spiele sind auch manchmal frustrierend schwer und trotzdem macht man weiter.«
»Flo«, sagt Lukas und dreht seinen Kopf das erste Mal von den Schwimmern weg, »das klingt ja wie bei einem echten Sportler! Ich glaube, du brauchst wirklich noch mal einen Papa.«
»Und ich glaube, ich gehe jetzt ins ganz Warme«, sage ich, stoße mich vom Rand ab, steige aus dem Becken und stapfe in Richtung des heißen Außenbeckens. Es ist mit Salzwasser gefüllt und 35 Grad warm. Wie eine Badewanne. Flo und Lukas folgen mir. Sie sehen sich um, ob jemand über ihre pinken Hosen lacht. Wir steigen in die Sole und schweben langsam ein paar Runden durch die Badelandschaft, die man hier draußen gebaut hat. Bambuspflanzen wehen über dem Beckenrand. Jede Viertelstunde springt der künstliche Wasserfall an. In einem kreisrunden Bereich hat man ein Dutzend Unterwasserliegen eingemauert, aus denen kleine Düsen Massagewasser schießen. Wir legen uns hinein und lassen es blubbern. Auf einem Schild steht, man soll nicht länger als 25 Minuten hier drinbleiben. Ich weiß auch, warum. Die Wärme, das Salz und das Geblubber machen einen rammdösig. Man wird müde und merkwürdig. Man fühlt sich wie im Halbschlaf. Wie morgens am Wochenende, wenn man das erste Mal wach wird und sich noch mal umdreht. Die drei Sportschwimmer gleiten ebenfalls in das Salzbecken und legen sich neben uns.
»Harmonie!«, sagt Flo durch das Gurgeln des Wassers hindurch. »Wisst ihr, was das bei meiner Mutter heißt? Das heißt, dass sich nie einer aufregen darf. Ein Mann soll voll hart sein, wie ein Feldherr, wenn er die Truppen in die Schlacht führt, aber zu Hause darf er nicht wütend werden. Kennt ihr die Deckenlampen bei uns? Diese kleinen silbernen Strahler?«
Lukas reagiert nicht und brummt nur zufrieden wie ein Frosch, der nicht merkt, dass er gekocht wird. Ich nicke. Das Wasser brodelt.
Flo fährt fort: »Die musste Wolfgang dranmachen, diese Lampen. Das ist
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