Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Uhr. Keine Nasenhaare.
Flo dreht sich wortlos um und geht zum Ausgang.
»Wir müssen dann mal«, sage ich. »War schön, Sie kennenzulernen.«
»Gleichfalls«, sagt er.
Vor der Tür tritt Flo einen Mülleimer um.
Im Bus hängt Flo so deprimiert in dem blauvioletten Sitzpolster, dass ein Comiczeichner graue Wolken über seinen Kopf malen würde. »Es gibt keinen Mann für meine Mutter«, sagt er. »Die Quest ist unlösbar.«
»Keine Quest ist unlösbar«, sage ich.
»Ach nein?«, sagt Flo und setzt sich wieder gerader hin. »Neulich gibt mir Anastasia, die Magielehrerin, zwei Items mit. Eine Rolle, mit der ich Mobs sichtbar machen kann, und zehn Kisten, in denen ich sie fangen soll. Das geht laut Questlog angeblich so, dass ich die Kiste anwende, kurz bevor die Mobs sterben. Aber was passiert tatsächlich? Nach ein paar Sekunden sind Geist und Kiste weg. Ich habe keinen neuen Gegenstand im Inventar und in der Quest tut sich nichts. Rechte Maustaste? Da verschwindet die Kiste noch schneller! Dabei klingt das alles so einfach! Das Vieh sichtbar machen, runterballern, Kiste auf, fertig! Aber was ist? Die Kiste verschwindet einfach! Jedes Mal!«
Lukas und ich sehen uns an. Wir verstehen kein Wort von dem, was Flo da in seinem World-of-Warcraft- Fachchinesisch sagt. Er hätte ebenso gut sagen können: »Baluff! Halunka! Wi Wei! Terelö! Terelö!« Aber wir begreifen, wie frustriert er ist.
Er setzt sich wieder in das Blauviolett der Busbank zurück und lehnt den Kopf an. »Ich habe nicht mehr viel Zeit. Ich bin jetzt dreizehn. In ein paar Jahren bin ich zu alt für einen Papa. Ich will aber noch einen haben. Klingt das so bescheuert?«
Lukas sagt: »Na ja, ganz ehrlich«, aber ich unterbreche ihn: »Nein, Flo. Das klingt nicht bescheuert.«
Der Bus hält an einer Haltestelle an und öffnet zischend seine Türen. Eine Oma steigt im Schneckentempo aus. In dem gelben Display erscheint die Anzeige »Nächster Halt: Erlebnistherme«. Das ist ein großes Freizeitbad mit Wasserrutschen, Wellenbecken und heißer Salzwassersole. Der Bus fährt an.
Flos Blick bleibt auf der Anzeige kleben. »Da geht meine Mutter immer hin«, sagt er. »Jeden Montagabend. Sie macht Aqua-Tai-Chi.«
Lukas lacht: »Was macht sie?«
»Aqua-Tai-Chi. Asiatische Entspannungsübungen im Wasser. Draußen, in dem heißen Solebecken.«
»Haben die auch Rutschen?«, fragt Lukas.
»Sicher.«
»Sollen wir spontan schwimmen gehen?«
Lukas und sein Bewegungsdrang. Andererseits – es könnte Flo trösten. Wasser tröstet immer. Ich sehe ihm in die Augen. Er hat Lust. Tut so, als wäre ihm alles egal, aber er hat Lust. Das sehe ich daran, dass sich seine Pupillen etwas vergrößern. »Wir haben keine Sachen dabei«, sagt er.
»Handtücher und Badehosen holen wir uns da. Die haben einen Superbilligwühltisch«, antworte ich und hole mein Portemonnaie raus. »Ich gebe eine Runde aus.«
Flo lächelt wie ein kleiner Junge, der sich nur ein wenig von Papa überzeugen lassen wollte. Lukas drückt auf den Knopf, damit der Bus an der nächsten Station haltmacht.
DIE SCHWIMMER
Die Hosen vom Wühltisch sind nicht gerade der Brüller, sonst würden sie einem ja auch nicht hinterhergeworfen: knielange Schlabbershorts mit Blumenaufdruck. In Pink.
»Ich gehe nicht mehr aus dem Becken raus«, meckert Lukas und schaut ins wabernde Wasser, das seine Hose ein bisschen verbirgt. Wir stehen in einem der vielen Spaßbecken und haben die Köpfe auf unsere Arme gebettet, die verschränkt auf dem Rand liegen. Vor uns ist eine große Wand aus Glas und dahinter, auf der anderen Seite, das Sportbecken. Das Sportbecken ist das Gegenteil vom Spaßbecken. Ein Schwimmverein trainiert gerade und direkt vor der Scheibe machen drei Profis Übungen auf grünen Isomatten. Ein großer Schwarzhaariger, der in Malibu als Rettungsschwimmer arbeiten könnte. Ein Blonder, der wie eine antike Statue aussieht. Ein Rothaariger mit Sommersprossen, den Lukas’ Vater beim Fußball als »kleine Kampfsau« bezeichnen würde. Die Männer machen Liegestütze auf nur einem Arm. Erst links, dann rechts. Dann stemmen sie ihre Körper auf nur zwei Fingern. Es folgen Sit-ups, bei denen sie wie ein Messer zusammenklappen und mit ihrem ganzen Oberkörper ihre Beine berühren. »Patsch! Patsch! Patsch«, hören wir es durch die Glasscheibe und ich zähle mit. Die Schwimmer schaffen fünfzig Wiederholungen. In einem Durchgang!
»Das soll man nicht mehr machen«, sagt Lukas. »Hat Herr Broich mal
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