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Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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heraußen werden die Leute nicht umgebracht, nicht von Fremden und schon gar nicht vom eigenen Vater. Wenn man stirbt, stirbt man im eigenen Bett, durch Krankheit, Kindbett, Schwindsucht oder durch das Alter, weil es einfach an der Zeit ist zu gehen. Ganz selten kommt einer durch einen Unfall bei der Arbeit um. Im Wald oder auf dem Feld. Alles, was wir hier in dieser Gegend zu sehen bekommen, sind Wirtshausschlägereien oder dass sich die Burschen bei der Kirchweih um ein Mädel streiten und sich gegenseitig die Maßkrüge an den Kopf werfen. Aber die haben immer einen riesen Rausch, können sich kaum mehr auf den Beinen halten. Es ist schon sehr verwunderlich, wie die sich in einem solchen Zustand gegenseitig mit den Krügen attackieren können, ohne dabei selbst das Gleichgewicht zu verlieren. Danach gibt es dann immer ein großes Geplärre, und alle sind aufgeregt, schreien durcheinander, beschuldigen sich gegenseitig, den Streit angefangen zu haben, manche fangen auch an zu weinen wie die kleinen Kinder.
    Aber da? Der alte Zauner saß auf dem Stuhl und rührte sich nicht, kein Weinen, kein Klagen. Für mich stand fest, wäre ich an seiner Stelle und meine Tochter würde im eigenen Blut daliegen, es würde mir das Herz zerreißen, ich würde wahnsinnig vor Kummer und Schmerz im Zimmer umherlaufen, hadern mit Gott, der dieses Unglück über mich gebracht hat. Lamentieren über die Welt, die so schlecht geworden ist und nicht verhindert hat, dass mir das Liebste genommen worden ist. Aber der Alte saß nur da, als ginge es ihn nichts an.
    Den kleinen Jungen sahen wir erst später. Der lag wimmernd unter einer Decke neben dem Kanapee.
    Ich habe gewusst, der Afra, der war nicht mehr zu helfen. Wie wir aber unter dem Wollhadern das Kind gefunden haben und es noch geschnauft hat, da habe ich gehofft, wenn ich es sofort zum Arzt bringe, dann ist der kleine Wurm noch zu retten. Ich hab darum keine Zeit verloren und ihn in einen Korb gelegt. So schnell ich konnte, bin ich damit zum Dr. Heunisch geradelt.
    Dem Weinzierl habe ich gesagt, er soll auf den Delinquenten aufpassen und ihn ja keinen Augenblick aus den Augen lassen, bis ich mit dem Arzt und der Mordkommission zurück bin.
    Wenn einer erschlagen wird, dann ist das nicht mehr Sache von einem kleinen Dorfpolizisten, da gehören die Spezialisten ran.
    Ich habe die Kollegen von der Kriminalpolizei verständigt und bin gegen drei am Nachmittag mit der Mordkommission wieder am Tatort draußen gewesen, und um vier ist die Gerichtskommission mit dem Staatsanwalt eingetroffen.
    Das Kind ist dann später im Hospital verstorben.    

Johann
    E r wusste nicht, wie lange er nun schon in diesem Raum saß. Sie hatten ihn mitgenommen und hierhergebracht. Als sie vom Haus weggefahren waren, hatte er sich umgedreht und aus dem kleinen Rückfenster des Wagens gesehen. Die Wäsche hing immer noch an der Leine wie eine weiße undurchdringliche Wand. Der Wind hatte nachgelassen, das Gewitter war ausgeblieben.
    Es musste inzwischen schon später Nachmittag sein, er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Die Luft im Zimmer war stickig, das Fenster trotz der Hitze geschlossen und von außen vergittert. Soweit er erkennen konnte, führte es hinaus in einen kleinen Innenhof. Kein Grün war zu sehen, kein Sonnenstrahl, der Blick war begrenzt durch die Mauer auf der anderen Seite des Hofes. Sie war graubraun, an manchen Stellen blätterte der Putz ab, und die Ziegel kamen darunter zum Vorschein. Im Raum stand ein kleiner quadratischer Tisch, zwei Stühle, sonst nichts. Die Polizisten hatten ihm gesagt, dass er hier warten müsste, und so harrte er geduldig aus, immer nochnur mit seinem Unterhemd bekleidet und der Arbeitshose.
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann kam ins Zimmer, der viel größer und kräftiger als er selbst war, ihm war das unheimlich. Es schien ihm, als füllte der Fremde den ganzen Raum aus, jeden Winkel. Er setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl und sprach ruhig auf Johann Zauner ein. Er stellte sich kurz vor, aber der alte Mann konnte sich den Namen nicht merken. Dann fragte er Johann nach seinem vollen Namen, nach seiner Anschrift, dem Namen seiner Frau, seiner Tochter. Dabei sprach er so leise, dass Johann Schwierigkeiten hatte, den Sätzen zu folgen. Der Fremde versuchte dem Klang seiner Stimme etwas Vertrauliches zu geben, ganz so, als würden sie sich seit Jahren kennen. Johann Zauner misstraute dieser Vertrautheit, er war ihr oft genug begegnet, um zu wissen,

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