Finsterau
Blut.«
»Zeigen Sie mir Ihre Arme.«
Der alte Mann streckte die Arme vor sich aus.
»Warum sind die Unterarme so zerschunden?«
»Das kommt von der Arbeit, das kommt und geht.«
Er ließ die Arme wieder sinken.
»Wie kann das von der Arbeit kommen? Ist es nicht eher so, dass Sie mit jemandem gerauft haben? Dass Sie mit Ihrer Tochter gerauft haben? Jetzt sagen Sie doch endlich, warum haben Sie das gemacht? Was war nicht richtig von der Afra?«
»Da kann man gar nichts sagen, sie ist einfach dagelegen.«
Der alte Mann saß da, sagte von nun an nichts mehr. Er dachte nur an Afra, wie sie im Sommer ’44 wieder vor der Haustür gestanden war. Da hatte er sie aufgenommen. Er hatte nichts gefragt, sie einfach nur hereingelassen. Und wie sie dann später erzählte, dass sie schwanger war, da fragte er auch nichts, aber er wusste, dass sie schwere Schuld auf sich geladen hatte, vor Gott. Erst später hatte er die ganze Wahrheit erfahren.
Er blickte auf seine Hände, und was ihn der Fremde auch fragte, er sagte nichts.
Als dieser ihm ein Blatt Papier hinlegte und ihn aufforderte, es zu unterschreiben, tat er das. Dann legte er den Stift zur Seite, sah den Mann an und fragte mit fester Stimme: »Kann ich jetzt gehen?«
»Noch nicht.«
Oberpfälzer Tagblatt
Samstag, den 26. Juli 1947
Lokales
D oppelmord in Finsterau. In den Vormittagsstunden des 22. Juli wurde die Landpolizei Einhausen benachrichtigt, daß in dem Anwesen Finsterau 103½ zwei Personen erschlagen worden seien. Die Polizei verständigte sofort die Staatsanwaltschaft und rief die Mordkommission herbei. Um 16 Uhr begab sich eine Gerichtskommission unter Leitung des Staatsanwaltes Dr. Augustin an den Tatort und stellte fest, dass die 24jährige ledige Afra Zauner und ihr etwa zwei Jahre altes uneheliches Kind Albert durch Beilhiebe auf den Kopf getötet worden sind. Afra Zauner war sofort tot, das Kind erlag zehn Stunden später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. In dem Verdacht der Täterschaft steht der 59jährige ehemalige Streckenarbeiter Johann Zauner, der Vater bzw. Großvater der Erschlagenen, der verhaftet wurde. Er hat inzwischen die Untat eingestanden. Die am Dienstag im Beisein des Untersuchungsrichters beim Landgericht durchgeführte Sektion der Leichen ergab einwandfrei als Todesursache Zertrümmerung der Schädeldecken in beiden Fällen.
Afra
A fra nimmt den Korb, legt die Hacke hinein. Sie streift mit der Hand die Wäsche zur Seite und schlüpft hindurch. Sie hört das Kind weinen, schnell geht sie auf das Haus zu, um nach dem Kleinen zu sehen. Den Korb stellt sie auf die Bank neben der Tür. Im Fletz kommt ihr Albert schon entgegen, das Gesicht nass und verschmiert von Tränen und Rotz, der ihm aus der Nase gelaufen ist. Sie nimmt das Kind auf den Arm und trägt es in die Küche. Dort stellt sie Albert auf den Küchentisch, greift in die Tasche ihres Kittels und wischt ihm mit dem Taschentuch das Gesicht ab.
»Brauchst keine Angst haben, Albert, ich bin doch da. Ich war nur kurz draußen vor dem Haus Wäsche aufhängen. Ich lass dich doch nicht alleine.« Sie spricht tröstend auf ihn ein und drückt ihn ganz fest an sich. Sie spürt, wie der kleine Körper unter den Tränen zittert.
»Stutzerl, ich bin doch da. Die Mama ist da, hörst du? Hast einen schlechten Traum gehabt?«
Langsam wird das Kind in ihren Armen ruhiger.
Afra hört ein Klopfen an der Küchentür, gleich darauf wird die Tür geöffnet und der Besucher kommt herein. Sie lässt das Kind los und dreht sich um.
»Was willst denn du schon wieder?«, blafft Afra den Besucher an. Albert steht noch immer auf dem Tisch, sie spürt, wie er sich mit beiden Händen an ihren Arm klammert.
»Die Haustür war offen, da bin ich herein. Ich habe mir gedacht, ich werde willkommen sein«, gibt er ihr zur Antwort.
»Der Vater ist nicht da, wenn du ihn brauchst.«
»Ich weiß, dass er nicht da ist, ich hab gesehen, wie er zum Mähen auf die Wiesen am Bahndamm raus ist.«
»Was willst dann hier, Hetsch?«
Afra kann ihn nicht leiden; solange sie sich zurückerinnern kann, hat sie sich in seiner Gegenwart unwohl gefühlt. Sie kann nicht sagen, weshalb, er hat ihr nie einen Anlass dazu gegeben, zumindest keinen, mit dem sie ihre Abneigung begründen könnte, aber sie hat dieses beklemmende Gefühl der Angst, wenn er mit ihr im gleichen Raum ist. Es ist da, liegt in der Luft, sie wird es nicht los, und er scheint es auch zu spüren. Jeder andere würde sich
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