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Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Körperhaltung, den Gang, er war wie ausgelöscht. Der Geruch hielt sich am längsten, aber auch die Erinnerung daran war eines Tages weg.
    Wäre Albert nicht gewesen, sie hätte nie mehr einen Gedanken an ihn verschwendet, ganz so, wie man am Morgen noch vor dem Aufwachen den Traum der letzten Nacht bereits vergessen hat. Aber Albert war da, und die Situation im Haus wurde mit jedem Tag unerträglicher.

Aus der Aussage des mittlerweile pensionierten Polizisten Hermann Irgang, 18 Jahre nach den Ereignissen
    G leich zu Beginn möchte ich feststellen, die Sache ist fast zwanzig Jahre her – wenn ich etwas sage, dann ist es so, wie ich es im Gedächtnis habe, an jede Einzelheit kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich war damals mit meinem Kollegen Weinzierl als Erster am Tatort.
    Der Nachbar, der Schlegler, der ist seinerzeit zu uns auf die Wache gekommen und hat gemeint: »Bei den Häuslern draußen ist ein Unfall passiert.«
    Der Schlegler hat nicht sagen können, was genau geschehen ist, da der Alte nur wirr durcheinandergeredet hat. Nur so viel konnte er aus dem Gestammel heraushören, dass was mit dem Kind und der Afra ist. Er, der Nachbar, der soll zu den Gendarmen laufen und die herholen. Der Zauner selbst ist wieder heim.
    Damals hatten wir Dorfpolizisten noch kein Auto. Es war ja auch gleich nach dem Krieg. Wir sind alles mit dem Fahrrad gefahren. Heutzutage wäre das gar nicht mehr machbar.
    Der Weinzierl, der war als Anwärter bei uns und erst seit ein paar Monaten dabei. Ich hab mir gedacht,ich nehme den mit, damit er was lernt und die Leute und die Gegend besser kennenlernt. Darum sind wir zu zweit mit dem Fahrrad losgefahren.
    Von außen hat alles ganz normal ausgeschaut. Neben dem Haus ist die Wäsche an der Leine gehangen. Mir ist das mit der Wäsche noch so gegenwärtig, weil es doch den ganzen Vormittag ausgesehen hat, als würde jetzt gleich ein Gewitter kommen, da hab ich mich gewundert, dass die noch keiner von der Leine genommen hat.
    Wie wir in die Kuchl rein sind, ist mir der Zauner von Anfang an suspekt gewesen. Er stand da, über die Waschschüssel gebeugt. Er hatte nicht einmal den Kopf zur Tür gewandt, obwohl er uns doch hat kommen hören. Der Körper war ausgemergelt, sehnig, man konnte schon sehen, dass er sein Leben lang gerackert hat wie ein Vieh. Dagestanden ist er nur in Unterhemd und Hose. Die Hosenträger hingen zu beiden Seiten herab. Das Hemd war schmutzig und verschwitzt. In seinen Händen hielt er einen nassen Hadern. Erst im Näherkommen sahen wir, dass es kein Lumpen war, den er hielt, es war sein Oberhemd. Es war getränkt vom Blut und vom Wasser. Für uns war es eindeutig, er hatte das Blut herauswaschen wollen. Da gab es keine andere Erklärung.
    Ich hatte erwartet, dass der Alte aufgeregt und verstört ist, nach allem, was wir vom Schlegler gehört hatten.
    Aber der ist da gestanden, in der Küche, als ginge ihn das alles nichts an. Er hat mit dem Wasser rumgepritschelt, hat erst aufgehört, wie ich ihm gesagthab, dass er sich hinsetzen soll. Ohne ein Wort ist er zum Stuhl und hat sich hingehockt. Ist da gesessen, breitbeinig, verstockt. Ich hab ihm das Hemd aus der Hand genommen. Er hat es gar nicht registriert, er hat weiter vor sich hin gestiert. Der Zauner hat nicht geweint, war nicht verzweifelt. Nichts. Sitzt da, schaut auf seine Hände, als ob nichts passiert wäre.
    Wenn der Tochter und dem Enkel ein Unglück widerfahren ist, dann stehe ich doch nicht an der Waschschüssel und wasche? Das macht doch kein normaler Mensch.
    Als Dorfpolizist hört man so einiges, von überall her ist es uns zugetragen worden, dass die draußen im Hirtenhäusl nicht gut zusammengehaust haben. Wie Hund und Katz waren der Alte und die Afra. Streitsüchtig war er schon immer, und mit jedem Jahr ist es schlimmer geworden.
    Besonders das Kind war ihm ein Dorn im Auge. Es ist schon eine Schande, dass sie ein lediges Kind hat. Aber sie war nicht die Erste und wird auch nicht die Letzte sein mit einem Bankerten. Dass man darüber so in Wut geraten kann, versteh ich bis heute nicht.    

Afra
    A fra schlüpft in die neben der Haustür stehenden Trittlinge und geht hinaus in den Hof. Auf der Bank vor dem Haus steht die Wanne mit der gebleichten Wäsche. Sie packt sie mit beiden Händen und trägt sie hinüber zum Brunnen. Dort spült sie die Weißwäsche erneut im Grand. Schon nach kurzem werden die Hände im kalten Wasser rot und schmerzen bei jeder Bewegung. Stück für Stück holt sie

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