Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
Vom Netzwerk:
heraus und windet es, so gut es geht, am Rand des steinernen Trogs aus. Dann legt sie es in den Korb. Von Zeit zu Zeit richtet sie sich auf, trocknet sich die Hände an der Schürze ab und versucht, die klammen Finger zu wärmen, indem sie sie aneinander reibt. Dabei blickt sie hinüber zur Tür, sie sieht, wie der Vater aus dem Haus geht. Er schaut nicht einmal zu ihr hinüber. Nur noch ein Leinentuch liegt im Wasser, sie spült es durch, und als sie das letzte Stück ausgewrungen hat und in den Korb legt, kommt auch die Mutter aus dem Haus und geht direkt auf Afra zu.
    »Ich muss auf die Gemeinde nach Einhausen unddanach noch hinüber zu den Müllerischen. Du bist heute die meiste Zeit alleine mit dem Vater.«
    Und ohne eine Erwiderung abzuwarten, fährt sie fort: »Ich sehe zu, dass ich gegen frühen Nachmittag wieder da bin. Nach dem Albert habe ich gerade geschaut, der liegt noch in seinem Bett und schläft, aber lange wird es nicht mehr dauern und das Kind ist wach. Der Vater, der ist zum Mähen auf die Wiese neben dem Bahndamm. Dass du dich nicht wieder mit ihm streitest, wenn ich nicht da bin, von dem ständigen Händel wissen schon alle Nachbarn, es muss nicht auch noch im ganzen Dorf bekannt werden. Keinen Schlaf hab ich finden können in der letzten Nacht, so setzt es mir zu. Ich will, dass der Unfrieden in dem Haus endlich ein Ende hat.«
    »An mir soll es nicht liegen, Mutter.«
    »An wem es liegt, ist mir ganz gleich, ich will meinen Frieden haben, und das ist alles.«
    Ohne ein weiteres Wort macht sie kehrt, geht hinüber zum Rad, klemmt den Korb auf den Gepäckträger, und kurz bevor sie losfährt, ruft sie Afra noch zu: »Der Vater wird in zwei Stunden zurück sein. Du musst ihm noch eine Brotzeit herrichten – wenn er vom Mähen kommt, hat er Hunger, und dass du daran denkst und es nicht vergisst!«
    Afra steht da, mit dem Wäschekorb in der Hand, und sagt leise mit einem bitteren Unterton, mehr zu sich selbst: »Nein, das vergesse ich schon nicht.«
    Afra geht am Haus vorbei zum Schupfen. Sie spannt die Leinen von der hölzernen Rückwand hinüber zum Haus. Nimmt die Wäsche aus dem Korb undhängt sie auf. Als sie damit fertig ist, lehnt sie den Korb gegen den Schupfen, geht zum kleinen Verschlag, öffnet die Tür und lässt die Hühner hinaus in den Garten. Sie sieht zu, wie sie zu den Obstbäumen laufen oder sich unter den Johannisbeersträuchern verkriechen. Sie liebt es, hier an dieser Stelle zu stehen und in den Garten zu blicken. Sie steht immer am gleichen Platz. Der Anblick der blühenden Bäume im Frühjahr ist ihr der liebste, besonders wenn der Wind die weißen Blätter der Blüten, Schneeflocken gleich, über die Wiese treibt. Als Kind hatte sie sich an der anderen Ecke des Gartens unter den Sträuchern ein Lager eingerichtet. Wann immer sie aus dem Haus fortkonnte, saß sie dort hinter den Büschen und spielte. Afra geht hinüber zum alten Versteck, und sie glaubt, im Gras etwas blinken zu sehen. Zuerst ist sie sich nicht sicher, weiß nicht, ob sie sich getäuscht hat, doch dann sieht sie es wieder, hinten am Ende des Gartens, ganz nah bei den Brennnesseln liegt etwas in der Wiese. Dort angelangt, kann sie zunächst nichts finden. Sie bückt sich, windet den Stoff der Schürze um die Hand und streift vorsichtig die Brennnesseln zur Seite. Vor ihr im Gras liegt die kleine Hacke. Der Vater wird sie in seiner Zerstreutheit hier liegengelassen haben, und wenn er sie dann nicht findet, wird er wieder sie beschuldigen, die Hacke verschlampt zu haben. Er beginnt, Dinge zu vergessen oder immer und immer wieder dieselben Sachen aufs Neue zu erzählen, drei, vier Mal hintereinander, und beim Essen tut er sich an manchen Tagen schwer, den Löffel zum Mund zu führen, ohne die Suppe zu verschütten. Wenn Afraoder die Mutter ihn ermahnen, nicht so zu tredern, wird er böse und fängt an zu streiten. Er fährt in jüngster Zeit wegen jeder Nichtigkeit aus der Haut, und das mit einer Gewalt, die jeden überrascht und zugleich ängstigt. Afra greift nach der Hacke, hebt sie auf und geht zurück zum Schupfen. Nass und schwer hängen die Leinentücher an den Wäscheleinen, sie bewegen sich träge im leichten Wind hin und her. Eine weiße Wand aus Stoff, die sich aufbauscht, um gleich wieder zusammenzufallen.

Johann
    A lles, woran Johann Zauner sich später erinnern konnte, war Afra, wie sie auf dem Kanapee lag, das Gesicht zum Plafond. Sie hatte die Augen offen, und am Boden verstreut lagen

Weitere Kostenlose Bücher