Finsterau
ohne ein Wort in Richtung Tür. Dann dreht er sich noch einmal zu ihr um.
»Weißt, Afra, am Ende bekomme ich dich doch. Dir bleibt gar nichts anderes übrig. So arme Schlucker wie ihr, Hungerleider, und dein Vater wird auch immer wunderlicher. Du kannst mich jetzt rauswerfen, aber eines sag ich dir, ich komm wieder. Und dann werde ich es dir schon zeigen, was ein richtiger Mann ist. Dankbar wirst sein, wenn ich wiederkomme.«
Afra steht da, reibt ihre Unterarme. Sie zittert am ganzen Leib.
»Nicht ums Sterben, Hetsch, nicht ums Sterben!«
»Das werden wir schon sehen, so leicht wirst mich nicht los. Ich krieg immer, was ich will.«
Mit diesen Worten geht er hinaus.
Afra bleibt noch für kurze Zeit in der Küche stehen, sie wartet, um sicher zu sein, dass er aus dem Haus ist, dann erst geht sie hinüber in die Kammer, um nach der Ursache des Lärms zu suchen. In der Kammer steht das Fenster weit offen. Der Wind muss es aufgedrückt haben, und der Rahmen hat dabei laut krachend gegen den Schrank geschlagen. Die kleine irdene Vase, die an der äußersten Ecke des Fensterbretts gestanden ist, liegt am Boden, zersprungen in lauter Scherben. Afra geht hinüber zum Fenster, verriegelt es. Albert ist ihr nachgelaufen. Neugierig sammelt er die Splitter auf.
»Nicht, Albert, du tust dir weh. Das mach ich hernach.«
Sie nimmt ihn bei der Hand und geht hinaus vor das Haus. Niemand ist zu sehen. Sie ist immer noch aufgelöst und zittert am ganzen Leib. Sie atmet tief durch, versucht, sich auf die Arbeiten zu konzentrieren, die sie als Nächstes erledigen muss. Sie nimmt den Korb von der Bank und geht zurück in die Küche. Es ist an der Zeit, die Vesper für den Vater herzurichten. Albert krabbelt auf dem Küchenboden herum, spielt mit einem Stück Holz und plappert dabei vor sich hin, als wäre nichts geschehen. Sie beugt sich zu ihm hinunter, nimmt ihm das Holz weg und drückt ihm dafür einen Kanten altes Brot in die Hand.
»Da hast ein Scherzl, sonst ziehst du dir am End noch einen Spreißl ein.«
Sie streicht ihm über den Kopf und küsst ihn auf die Stirn.
»Du kommst aber auch über alles, dich kann man nicht aus den Augen lassen.«
Schwerfällig und müde richtet sie sich auf und geht hinaus in die Speis. Draußen sind dunkle Wolken aufgezogen, Afra sieht durch das Fenster auf die an der Leine hängenden Wäschestücke. Sie wird die Wäsche vor dem Sturm abnehmen müssen. Im gleichen Augenblick drückt eine Böe das Fenster in der Speis einen Spalt auf.
Theres
A uch wenn sie später an den Tag dachte, war es sofort wieder da, jenes ungute Gefühl, das sie beschlich, als sie an dem Morgen mit dem Fahrrad losfuhr, um ihre Besorgungen zu erledigen. Eigentlich hatte sie gar keinen Grund, unruhig zu sein. Afra war gerade dabei gewesen, die Wäsche am Grand auszuwringen, und der Kleine hatte noch friedlich in seinem Bett gelegen und geschlafen. Johann war hinaus auf die Wiese beim Bahndamm zum Mähen. Theres wollte sich beeilen, möglichst bald nach Hause zu kommen, damit Afra und der Vater nicht wieder zu streiten anfingen. In den letzten Wochen war kein Tag vergangen, an dem die beiden nicht aneinandergerieten. Mal war es das Kind, das zu laut war, zu verzogen. Dann war es Afra, die sich weigerte, in die Kirche zu gehen. Von Monat zu Monat wurden die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Tochter schlimmer.
Aber dann war sie aufgehalten worden, ihre letzte Kundschaft, die Müllerin, hatte sich nicht entscheiden können, und so war sie schließlich viel zu spät von Einhausen weggefahren. Schon von weitem sahsie die Wäsche immer noch an der Leine im Hof hängen, und da wusste sie, dass sie mit ihrer Vorahnung recht behalten hatte.
Der Polizist, der aus dem Haus heraus auf sie zuging, musste ihr nichts mehr erklären. Sie wusste, ein Unglück war geschehen, nur dass ihr der Herrgott alle genommen hatte, war ihr in diesem Moment nicht klar geworden. Sie hatte sich auf die Bank gesetzt und gewartet. Zuerst kam der Doktor und später die Polizisten aus der Stadt. Irgendwann war auch der Herr Pfarrer da, und sie hatten sie hinüberbegleitet zum Pfarrhof. Wenn sie jetzt daran dachte, war alles so verschwommen, so unwirklich. Im Pfarrhof ist sie die ersten Tage geblieben, bis es ihr wieder besserging und sie nach Hause konnte.
Als sie zum ersten Mal nach seiner Verhaftung mit Johann sprach, schwor er ihr, dass er es nicht gewesen war, und sie glaubte ihm.
In den Wochen danach fingen die Gerüchte an, der Johann
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