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Finsterau

Finsterau

Titel: Finsterau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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ich ihn angeschrien, und er ist zusammengezuckt und ist auch gleich widerspruchslos hinüber in die Küche. Dort ist er dann auf seinem Stuhl hocken geblieben, der hat sich nichts mehr getraut.
    Das Geld und die Papiere habe ich sichergestellt und den Kollegen von der Kripo gegeben.
    Ich hab mich auch wieder zu ihm an den Küchentisch gesetzt und meine Brotzeit ausgepackt. Zweimal hab ich abbeißen können, dann ist schon der Dr. Heunisch gekommen. Da war nichts mehr mit Weiteressen, wie hätte das ausgeschaut? Und dann ist alles ganz schnell gegangen, Schlag auf Schlag. Kaum war der Doktor da, sind auch schon die von der Kripo vorgefahren.
    Schon damals habe ich gewusst, dass ich bei der Polizei nicht alt werde, und ein paar Monate später, noch ehe der ganze Fall vor Gericht gekommen ist, da hatte ich schon alles hingeworfen. Mich hat nie einer nach der Brotzeit gefragt. Warum auch?
    Ach, eines hätte ich noch fast vergessen. Wie ich draußen bei meinem Fahrrad war, da ist die Frau von dem Zauner gekommen. Ich hab ihr gleich ganz streng gesagt, dass sie nicht ins Haus hineindarf und dass sie sich einstweilen draußen hinsetzen soll. Es würde nicht lange dauern, was ja auch gestimmt hat. Dass die Tochter tot war und der Enkel auch, das müssen ihr dann die Kollegen von der Kripo erzählt haben. Von mir hatte sie es nicht, nicht dass ich mich erinnern könnte.

Johann
    A fra war fortgegangen, und dann war sie wieder nach Hause zurückgekommen. Es war gegen Ende des Krieges, er hatte nicht gefragt, was sie nach Hause zurückgebracht hatte. Und als sie ihnen von dem Kind erzählte, das sie bekommen würde, war er anfangs auch stumm geblieben. Auch wenn er es nicht richtig gefunden hatte, dass sie keinen Vater dafür hatte. Doch mit den Monaten nahm seine Wut darüber immer mehr zu, und er machte seinem Ärger Luft. Er schimpfte und tobte. Aber all der Streit nützte nichts. Mit der Zeit glaubte er, Afra und Theres würden sich hinter seinem Rücken verschwören. Sie würden ihn auslachen, Sachen verstecken, damit er sie nicht fand, nur um ihn zur Weißglut zu bringen.
    Es stimmte einfach nicht, er konnte sich an alles erinnern. An alle Geschichten von früher. Nur manchmal fiel ihm etwas nicht ein, und auch nur dann, wenn er sich unbedingt daran erinnern wollte, aber das war normal ab einem bestimmten Alter. Ärgerlich oder wütend wurde er nur, wenn es ihm nicht sofort inden Sinn kam und Afra und Theres ihn deshalb für wunderlich hielten.
    Er setzte sich auf die Pritsche und wartete, und mit einem Mal war er sich sicher, auch diesmal würden sie ihn nach acht Wochen gehen lassen.
    »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich …«

Aus der Aussage des Kriminalkommissars i. R. Ludwig Pfleiderer, 18 Jahre nach den Ereignissen
    D er Kriminalrat Hecht, der hat damals die Sache an sich gerissen. Der war immer scharf auf Kapitalverbrechen. »Der Hecht im Karpfenteich« war bei uns ein geflügeltes Wort. Da gibt es nicht viel darüber zu sagen.
    Er war ein scharfer Hund – wenn er gehört hat, da ist ein Mord oder Totschlag, dann hat er Blut geleckt, dann hat man ihn nicht mehr von der Sache abbringen können.
    Der wollte auch keinen dabeihaben, wenn er mit den Beschuldigten gesprochen hat. Der Hecht ist mit demjenigen in dem kleinen Kämmerlein verschwunden und erst wieder herausgekommen, wenn er ein Geständnis hatte. Und gestanden haben bei dem alle.
    Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er dann immer gegrinst hat, von einem Ohr zum anderen. Er hat einem das Geständnis auf den Tisch gelegt und gesagt: »Herr Pfleiderer, der Herr Soundso hat gestanden.« Das war’s.
    Er hatte mit seinen Methoden Erfolg, und wer erfolgreich ist, der hat recht. Da fragt keiner nach derVorschrift, dem hat man einiges durchgehen lassen. Heute ginge das nicht mehr, aber gleich nach dem Krieg … Wir waren doch froh um jeden unbelasteten, kompetenten Kollegen, und fragen können Sie den Hecht eh nicht mehr, der ist seit fünf Jahren tot. Herzinfarkt, keine drei Wochen nach seiner Pensionierung. Der ist umgefallen, und aus war es.

Theres
    Z wischen den Grabstellen nahe dem Eingang des Friedhofs standen zwei Frauen. Theres war schon fast an ihnen vorüber, als sie sie bemerkte. Automatisch, ohne es zu wollen, blickte sie hinüber. Die Frauen rückten noch enger zusammen, versuchten sich hinter den Grabsteinen zu verstecken. Wie große schwarze Krähen

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