Finsterau
sonst könnte er neben den Leichen sitzen und essen.«
Der Arzt war kaum da, und schon hielten auch die Wagen der Mordkommission vor dem Haus. Einer der Beamten befahl dem alten Mann, sich anzuziehen, damit er sie ins Kommissariat begleiten könnte. Als der aber keine Anstalten machte, nahmen sie ihn mit, wie er war. Sie führten ihn zum Auto, das vor dem Haus stand.
Aus der Aussage des ehemaligen Polizeianwärters Josef Weinzierl, 18 Jahre nach den Ereignissen
I ch war seinerzeit bei der Polizei, habe aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Wie dann der Vater überraschend an einer Blutvergiftung gestorben ist und mein älterer Bruder nicht aus der Gefangenschaft in Russland nach Hause kam, da habe ich alles hingeschmissen und die Metzgerei von meinem Vater übernommen.
Ich war dabei, wie die Tochter von dem Häusler, dem Zauner, und der Enkel gefunden wurden.
Und ich war es auch, der eine ganze Weile alleine mit dem Alten da draußen war.
Freilich habe ich mir die Leiche der jungen Frau näher angeschaut, wie der Irgang weg war. Ich war damals jung, und neugierig war ich auch. Wie man halt so ist in dem Alter. Ich habe keine Angst gehabt, und gegraust hat es mich auch nicht. Ist einer tot, dann ist der tot. Der kann einem nichts mehr tun.
Ich muss schon sagen, sie war ein sauberes Frauenzimmer, die Afra. Ein schönes Gesicht und dichte dunkle Haare hat sie gehabt, eine Rassige einfach. Die hat die Burschen ganz närrisch gemacht. Dass dasdem bigotten Alten nicht gepasst hat, das kannst glauben. Dem hat ein Bankert gereicht. Wie sie so dagelegen ist, hat man fast meinen können, dass sie schlafen würde. Nur auf die Hände hat man nicht schauen dürfen, die waren ganz zerschunden. Sie muss sich mit aller Kraft gewehrt haben. Die Fingernägel waren blutig und zum Teil auch abgebrochen, und zwischen Zeigefinger und Daumen der linken Hand hatte sie eine tiefe Schnittwunde.
Und in der Küche hat es ausgesehen! Überall lagen Scherben auf dem Boden. Eine kleine Hacke lag halb unter dem Kanapee, als hätte einer versucht, sie mit dem Fuß da drunterzustoßen.
Ich hab dem Zauner gesagt, er soll auf seinem Stuhl sitzen bleiben. Aber das war überflüssig, der ist eh die ganze Zeit still dagesessen. Hat nur vor sich hin gestiert. Zwei, drei Mal hat er was gesagt, es war wie »Da kann man nichts mehr machen« und »Alles in einem Aufwasch«. Was er damit gemeint hat, weiß ich nicht, denn wie ich nachgefragt habe, hat er nichts geantwortet.
Ich habe mich, nachdem ich mich ein bisschen umgeschaut hatte, dann auch hingesetzt, und wir haben beide gewartet.
Auf dem Tisch ist ein Krug mit Wasser gestanden und zwei Gläser. Ein Teller und ein Brotmesser sind auch dagelegen.
Wenn ich warten muss, vergeht mir die Zeit so langsam, und dann werde ich immer hungrig. Das war bei mir schon als kleines Kind so, ich komm in den Unterzucker, und dann bekomme ich Kopfwehund kann nicht mehr richtig denken. Darum habe ich immer was zum Essen dabei. Aber das war draußen beim Fahrrad. Ich hab gewusst, dass ich den Alten eigentlich nicht aus den Augen lassen darf – aber der Hunger. Ich hab es nicht mehr ausgehalten. Zum Zauner hab ich gesagt, er soll ruhig sitzen bleiben, und bin schnell raus und hab die Tasche mit der Brotzeit vom Fahrrad geholt. Ich war ganz schnell, das hat keine drei Minuten gedauert.
Wie ich wieder hereingekommen bin, war der Zauner weg. Ich hab mir noch gedacht, jetzt hast den Dreck im Schachterl, jetzt haut dir gleich beim ersten Mord der Täter ab.
Ich hab auf dem Absatz kehrtgemacht und bin hinaus auf den Fletz, und da hab ich gesehen, dass die Tür zur Kammer offen war. Da war er. Ich bin auf Zehenspitzen hinüber. Ganz leise. Damit er nicht merkt, dass ich ihn beobachte, der Alte ist neben dem Bett, vor dem Nachtkästchen gekniet und hat herumgegruscht. Ich hab mich ein bisserl von der Seite angeschlichen, und da hab ich sehen können, dass er einen Geldbeutel in der Hand gehalten hat. Auf dem Boden lag eine Schachtel mit Briefen. Es hat ausgesehen, als ob er alles verteilen oder extra hinlegen würde. Zuerst habe ich gestutzt, doch dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, »der Hund, der legt eine falsche Spur«, hab ich zu mir selbst gesagt, »der versucht, einen Raubmord vorzutäuschen«.
Da bin ich aber wutig geworden. Ich habe ihn angebrüllt, dass er sich schleunigst wieder hinsetzen soll.
»Schau bloß, dass du dich wieder auf deinen Platz zurück schleichst«, habe
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