Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
Spechte im Wytham-Wald zu finden seien. Ich glaube, ich habe es in einem Pub gehört. Oder vielleicht habe ich es einfach auf einem Bierdeckel gelesen.»
    «Nützliche Einrichtung, Pubs!»
    «Und dann» — Morse ignorierte die sarkastische Bemerkung — «dachte ich, wenn Johnson sich für Blenheim entschieden hat, würde es sich sehr wahrscheinlich erweisen, daß es Wytham war.»
    «Das ist äußerst unfair!»
    «Ganz meine Meinung.» Morse stand auf und ging zur Tür. «Wissen Sie, es ist ein wenig merkwürdig, daß keiner je ihren Akzent wahrgenommen hat, nicht wahr? Sie muß eine Spur von Akzent haben. Ich wette, Sie werden das auch feststellen.»
    «Sie haben Glück, daß Sie so gut hören. Meine Frau sagt, ich werde ständig schwerhöriger.»
    «Schaffen Sie sich ein Hörgerät an, Sir. Sie werden Sie wahrscheinlich nicht bei der Polizei behalten, und sie müßten Ihre Pension erhöhen.»
    «Meinen Sie? Wirklich?»
    «Zu neunzig Prozent sicher», sagte Morse, schloß die Tür hinter sich und wanderte nachdenklich durch das Labyrinth von Korridoren zu seinem Büro.
    Er hatte Strange nichts von dem dicksten Hinweis von allen gesagt, aber es hätte eine ganze Weile gebraucht, es zu erklären, und es war alles ein bißchen nebelhaft — besonders für einen so nüchternen Realisten wie Strange. Aber für ihn, Morse, war es zum Brennpunkt des ganzen Geheimnisses geworden. Der normale Mörder (falls es eine solche Person gibt) würde versuchen, alle Spuren seines Opfers zu vertuschen. Und wenn sein Opfer jemand wie Karin Eriksson war, würde er ihre Kleider verbrennen, ihren Schmuck und anderen Kram in den Kanal werfen und ihre Leiche beseitigen — sie in einem bodenlosen Meer versenken, oder sie in kleine Stücke zerschneiden und zur nächsten Müllbeseitigungsanlage bringen oder sie sogar in einen dieser schwarzen Plastikbeutel packen, die die Müllmänner abholten, da nach Morses Erfahrung das einzige, was sie nicht mitnahmen, Beutel mit Gartenabfällen waren. Also! Wenn unser Mörder also die Erde von jeder Spur seines Opfers befreien wollte, warum, warum hatte er dann soviel Wert darauf gelegt, daß der Rucksack und anderer Besitz des Mädchens gefunden wurden? Gut, es funktionierte nicht so gut, da der Zufall, wie meistens, seine Rolle gespielt hatte. Aber der Rucksack wurde gefunden, sehr schnell; die Polizei wurde informiert, sehr schnell; die Suche nach Karins Mörder wurde eingeleitet, sehr schnell. Wenn aber ein junges Mädchen verschwindet, ohne etwas zurückzulassen, ist man im allgemeinen durchaus nicht so sicher, daß sie tot ist; Tausende von jungen Leuten aus allen Teilen Europas, allen Teilen der Welt, verschwinden regelmäßig, geraten in Listen . Doch wenn ein junges Mädchen verschwindet und gleichzeitig ihre ganze Habe in einer Hecke in der Nähe gefunden wird, sind die Zusammenhänge nur zu schmerzlich offensichtlich, werden die Folgerungen nur zu bereitwillig gezogen: die Folgerungen, die Johnson und beinahe jeder andere Polizist im Thames Valley vor einem Jahr gezogen hatte.
    Morse allerdings nicht.
    Vielleicht hätte er, nach einiger Überlegung, Strange seine Gedankengänge ohne allzu große Schwierigkeiten erklären können? Die Schlüsselfrage konnte schließlich sehr leicht gestellt werden: Warum war der Mörder so bestrebt, daß die Polizei eine Untersuchung wegen Mordes einleitete? Die Antwort auf diese ungewöhnliche Frage kannte Morse jetzt, dessen war er sich ganz sicher. Na ja, zu neunzig Prozent sicher. Weil die Polizei nach einer Leiche suchen würde, nicht nach jemandem, der noch lebte.

    Zehn Minuten später war Lewis bereit für ihn, und die beiden Polizisten fuhren wieder einmal zusammen zum Wytham-Wald.

Kapitel zweiundsechzig

    Der große Reiz einer Ehe besteht darin, daß sie Täuschungen für beide Partner absolut unerläßlich macht

    (Oscar Wilde,
    Das Bildnis des Dorian Gray)

    Sie waren zu viert in dem Wohnzimmer des Cottages mit den niedrigen Decken: Morse und Lewis saßen nebeneinander auf der Ledercouch, Mrs. Michaels ihnen gegenüber in einem Sessel, und die kleine, attraktive WPC Wright (in Uniform) stand an der Tür.
    «Warum haben Sie David nicht mitgebracht?» fragte Mrs. Michaels.
    «Ist er nicht noch bei seiner Aussage, Sergeant?» Morse zog fragend die Augenbrauen hoch, als handele es sich um eine Angelegenheit von geringer Bedeutung.
    «Weswegen sind Sie dann hier?» Sie blickte auf und sah Morse mit leicht zur Seite geneigtem Kopf

Weitere Kostenlose Bücher