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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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nüchtern, daß kein Widerspruch möglich war. «Niemand, niemand hat in Barcelona einen Paß verloren — oder sonst irgendwo. Aber Sie sehen Ihrer älteren Schwester sehr ähnlich, nicht wahr? Mein Sergeant brachte mir aus Stockholm ein Foto von Ihnen und Ihren beiden Schwestern mit. Sie sind alle drei blond und haben blaue Augen und vorstehende Backenknochen und lange Beine und was sonst noch die Leute hier von den nordischen Menschen erwarten. Auch Ihre jüngere Schwester — die kleinste von Ihnen — sieht Karin sehr ähnlich, zumindest auf dem Foto.»
    Sie unterbrach ihn. «Hören Sie! Bitte hören Sie mir einen Moment zu! Waren Sie jemals völlig durcheinander, so wie ich es jetzt bin?»
    «O ja! Ziemlich oft, glauben Sie mir. Aber nicht jetzt. Jetzt nicht, Mrs. Michaels. Und Sie sind es auch nicht. Weil der Paß dort nicht Ihnen gehört. Er gehört Ihrer Schwester Katarina — Katarina Adams. Ihre Schwester, die noch immer in Uppsala lebt. Ihre Schwester, die den schwedischen Behörden erklärte, daß ihr ihr Paß gestohlen worden sei, und die einen neuen beantragte. Einfach! Denn Ihr Name ist gar nicht Katarina Adams, nicht wahr, Mrs. Michaels? Sie sind Karin Eriksson.»
    Sie ließ plötzlich die Schultern hängen, als spüre sie, daß ihr trotz aller unschuldigen Einwände, die sie vielleicht Vorbringen könnte, niemand mehr glauben würde, daß zumindest in dieser Hinsicht sie gut beraten wäre, wenn sie ihren Fall den Aussagen anderer überließ.
    Aber Morse nutzte seinen Vorteil aus, und WPC Wright fand die weitere Befragung peinlich und geschmacklos (im Gegensatz zu Lewis).
    «Sie haben hübsche Beine — würden Sie mir da zustimmen?»
    «Was?» Instinktiv versuchte sie, den Saum ihres knielangen Rockes ein Stückchen tiefer über ihre eleganten Beine zu ziehen, aber ohne große Wirkung.
    «Wissen Sie», fuhr Morse fort, «als ich eben über den nordischen Menschen sprach, fielen mir die Filme mit all den sexy schwedischen Filmsternchen ein, die wir früher sahen. Ich bin früher oft ins Kino gegangen...»
    «Soll ich für Sie einen Striptease machen?»
    «Sehen Sie, mein Sergeant und ich sind wirklich im Vorteil, weil wir die Möglichkeit hatten, Ihren Paß zu studieren — wenn es Ihr Paß ist...»
    Sie war fast am Ende ihrer Kräfte. «Worum geht es?» kreischte sie. «Bitte sagen Sie es mir! Was werfen Sie mir vor? Sie alle?»
    Resigniert gab Morse Lewis mit der rechten Hand ein Zeichen, und Lewis erhob mit ausdrucksloser Stimme die Beschuldigung.
    «Mrs. Karin Michaels — Miss Karin Eriksson —, ich muß Sie informieren, daß Sie unter Polizeiarrest stehen wegen des Verdachts, am Sonntag, dem 7. Juli 1991, einen gewissen James Myton ermordet zu haben. Es ist meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, daß alles, was Sie jetzt in Anwesenheit der drei Polizeibeamten hier sagen, in einer Gerichtsverhandlung als Beweismittel benutzt werden kann.»
    Morse erhob sich. «Sie brauchen jetzt nichts zu sagen, vorläufig.»
    «Sie meinen, Sie beschuldigen mich — mich —, Karin zu sein, meine Schwester? Die Schwester, die ermordet wurde?»
    «Sie bestreiten es noch immer?» fragte Morse leise.
    «Natürlich! Natürlich tue ich das!»
    «Sie können das beweisen. Die schwedischen Behörden haben uns mitgeteilt, daß sie unter selten etwas in die Pässe eintragen — nur wenn es wirklich ein besonderes Kennzeichen gibt, das helfen könnte, eine Identität nachzuweisen. In dem Paß jedoch — von dem Sie sagen, daß es Ihrer ist — steht dort etwas — in Schwedisch, und zwar, so wird uns gesagt,
    «Ja?» Sie sah zum Chief Inspector auf, fast als wolle sie ihn herausfordern, zwingen, seine Beschuldigung zu beweisen.
    «Wenn Sie also dort eine Narbe haben, beweist das nicht unbedingt, wer Sie sind. Doch wenn Sie keine Narbe haben... wenn Sie keine haben, dann sind Sie nicht die Frau, die in dem Paß beschrieben wird, und waren es nie.»
    Karin Eriksson, die Mörderin von James Myton, saß jetzt viele quälende Sekunden lang völlig still da. Dann hob sie langsam, aufreizend, als sei sie eine Spitzenartistin in irgendeinem Stripteaselokal, mit der linken Hand den Saum des beigefarbenen Samtrockes über das linke Knie, um das nackte Fleisch ihres inneren Oberschenkels zu enthüllen.
    Freute sie sich über die Blicke der beiden Polizisten? Hatte die Bewunderung

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