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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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    Von Professor (Emeritus) René Cray:

    Sir, seit Ihrer Veröffentlichung (am 3.Juli) des an die Thames Valley Police gerichteten Briefes läßt mich, wie zweifellos viele Ihrer Stammleser, der Gedanke an die Geschichte nicht mehr los. Ich bitte Sie um die Liebenswürdigkeit, ein oder zwei meiner Beobachtungen in Ihrer Spalte aufzunehmen.
    Dies ist kein Gedicht von Alfred Austin, wenn auch der Name daruntersteht. Der Name scheint sich nicht auf die Marke eines Automobils zu beziehen; unter einem registrierte Austins stammen aus den Jahren 1983-1984, und es gibt keine Übereinstimmung zwischen diesen Daten und denen, die in Klammern in dem Brief genannt werden. Diese Daten sind nicht die des Dichters Austin. Er wurde 1835 geboren und starb 1913. Es besteht eine geringe Möglichkeit, daß die beiden letzten Ziffern des Geburtsdatums aus irgendeinem Grund vertauscht wurden, aber das Todesdatum ist eindeutig falsch. Er ist 1913 gestorben und war zur Zeit seines Todes 78 Jahre alt. Durch einen merkwürdigen Zufall ergibt die Umstellung dieser beiden Ziffern die Zahl 87, die hier genannt wird. Ich komme zu dem Schluß, daß diese Daten nicht sind, was sie zu sein scheinen, und wahrscheinlich den Schlüssel zu einem chiffrierten Text darstellen.
    Die Zahlen scheinen keine geographischen Koordinaten zu sein. Sie passen nicht in die Meßtischblatt-Koordinaten, und es sind keine Breiten- und Längengrade, da Großbritannien zwischen dem 50. und 60. Breitengrad und zwischen dem 2. Grad östlicher und dem 10. Grad westlicher Länge liegt. Wir haben also sechs Ziffern, die irgendwie den Schlüssel zur Interpretation der Botschaft liefern müssen.
    Ich war nicht fähig, das Gedicht zu dechiffrieren. Ich habe es mit dem ersten Wort versucht, gefolgt von dem achten, danach das fünfte. Ich habe die einzelnen Ziffern wieder umgestellt, ohne Erfolg. Ich habe es mit Zeilen versucht, ersten Worten von Zeilen, letzten Worten von Zeilen. Ich habe die Ziffern paarweise genommen, d. h. als 18, 53 (oder 35) und 87, wieder ohne Ergebnis. Ich habe abwechselnd die Anfänge und die Enden der Zeilen genommen, und umgekehrt.
    Ich habe die Jahreszahlen vereinfacht, indem ich den Bindestrich als Minus-Zeichen aufgefaßt habe. Die Antwort, <1766>, bringt auch kein befriedigendes Resultat.
    Es gibt eine Vielzahl von anderen Kombinationen und Vertauschungen, aber keine andere Methode, als immer wieder zu versuchen, ob irgendeine einen Sinn macht.
    Der größte Vorteil einer mechanischen Methode des Dechiffrierens liegt darin, daß das Gedicht selbst keinen Sinn ergeben muß; eine beliebige Folge von Wörtern würde den gleichen Zweck erfüllen, nämlich die Botschaft zu verstecken. Folglich brauchen merkwürdige Worte wie etwa überhaupt nicht in die Kategorie wichtiger Worte zu fallen; an dessen Stelle würden     Wenn ich richtig argumentiert habe, spielt es keine Rolle, was das Gedicht aussagt oder was es bedeutet. Was hier gebraucht wird, sind die Dienste eines erfahrenen Entschlüßlers.

    Mit freundlichen Grüßen
    RENÉ GRAY
    136 Victoria Park Road,
    Leicester

    Morse las den Brief nur einmal und beschloß, bis zu seiner Rückkehr ins King’s Arms zu warten (wo er die beiden früheren Zeitungsausschnitte hatte), um sich die Analyse des guten Professors und die vorgeschlagene Methodik sorgfältiger anzusehen. Gray hörte sich sympathisch an — besonders die Stelle mit dem und dem .

    Als er am Nachmittag wieder in Dorchester war, ging Morse in die öffentliche Bücherei und schlug im Oxford Companion to English Literature nach. Er hatte von dem Dichter Austin gehört — natürlich hatte er das, aber er hatte nie viel über ihn gewußt, und er kannte ganz gewiß kein Gedicht oder auch nur eine Zeile von dem ehemaligen Hofdichter, die Unsterblichkeit verdient hätten.
    Von der Bücherei ging Morse weiter zur Post, wo er eine Schwarzweiß-Ansichtskarte von der Dorchester High Street kaufte und übermäßig lange Schlange stand. Er kannte das Porto für eine Postkarte nicht und wollte nicht eine Marke erster Klasse verschwenden, wenn, wie er vermutete,

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