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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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erinnern. Erinnerst du dich an das blonde junge Mädchen, das eines Sonntags — vor etwa einem Jahr — fragte, ob wir ein Zimmer frei hätten, und das dann später noch einmal kam — als wir kein freies Zimmer mehr hatten?»
    «Ja, ich erinnere mich tatsächlich», sagte Anne langsam, «ich glaube jedenfalls, daß ich es tue.» Sie hatte rasch den Artikel unter dem Foto überflogen und sah jetzt zu ihrem Ehemann auf, während sie gleichzeitig ein halbes Dutzend Scheiben Speck umdrehte. «Du meinst doch nicht...?»
    Aber Jim O’Kane meinte.

    Claire war bei ihrem letzten Stück Toast, als sie ihre Gastgeberin mit der Zeitung in der Hand neben sich fand. «Wir haben uns die Zeitung für einen Moment ausgeliehen — ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?»
    «Aber nein.»
    «Es ist nur» — Anne zeigte auf das Bild — «nun, es sieht so ähnlich aus wie ein junges Mädchen, das einmal zu uns an die Tür kam. Ein junges Mädchen, das vor etwa einem Jahr verschwunden ist.»
    «Eine lange Zeit, ein Jahr.»
    «Ja. Aber Jim — mein Mann — vergißt selten ein Gesicht. Und ich glaube, er hat recht.»
    Claire schaute hinunter auf das Foto und den Artikel und ließ sich (hoffte sie) ihre Erregung nicht anmerken. «Das sollten Sie ihnen — der Polizei — wohl lieber mitteilen, oder?»
    «Ja, das sollten wir wohl. Es ist nur, Jim hat vor kurzem auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung mit einem der Männer vom CID gesprochen, und dieser Mann sagte, eines der größten Probleme bei Morden seien all die falschen Geständnisse und Falschmeldungen, die sie immer bekommen.»
    «Aber wenn Sie sie wirklich erkennen?»
    «Nicht hundertprozentig. Eigentlich nicht. Woran ich mich genau erinnere, ist, daß dieses Mädchen, das ich meine, an die Tür kam und fragte, ob wir ein Zimmer hätten, und als sie hörte, was es kosten würde, machte sie irgendwie den Eindruck... nun, ich glaube, sie konnte es sich nicht leisten. Dann kam sie später noch einmal, dasselbe Mädchen...»
    «Und Sie waren ausgebucht?»
    Anne O’Kane nickte traurig, und Claire aß ihren letzten Bissen Toast. «Nicht immer leicht zu wissen, was das beste ist.»
    «Nein.»
    «Aber wenn Ihr Mann diesen Mann vom CID kennt, könnte er es einfach, na ja, inoffiziell erwähnen, nicht wahr?»
    «Ja-a. Könnte nicht schaden. Sie haben recht. Und er wohnt nur ein Stück weiter die Straße hinauf. In einer dieser Junggesellenwohnungen.»
    «Wie heißt er? Lord Peter Wimsey?»
    «Morse. Chief Inspector Morse.»
    Claire schaute hinunter auf ihren leeren Teller und faltete ihre weiße Leinenserviette zusammen.
    «Noch etwas Toast?» fragte Anne O’Kane.
    Claire schüttelte den Kopf, und ihre makellos nachgezogenen Lippen zeigten weder Interesse noch Überraschung.

Kapitel einundzwanzig

    Nur die erste Flasche ist teuer

    (Französisches Sprichwort)

    Claire Osborne hatte noch am gleichen Vormittag gefunden, was sie suchte. Aber erst am nächsten Vormittag, am 13.Juli (den Sonntag hatte sie mit Alan Hardinge verbracht), unternahm sie etwas hinsichtlich des Ergebnisses ihrer Nachforschungen. Es war schrecklich einfach gewesen — nur ein rasches Blättern im zwei Zoll dicken Telefonbuch von Oxford und Umgebung, das neben dem Münzfernsprecher lag: mehrere Morses, doch nur ein — und die Telefonnummer obendrein! Leys Close, stellte sie auf dem Stadtplan von Oxford an der Wand der Halle fest, schien kaum mehr als 200 Meter entfernt zu sein. Sie hätte natürlich die O’Kanes fragen können... aber es war aufregender, es nicht zu tun.
    Es war wieder ein schöner, sonniger Vormittag, und nachdem sie ihren Koffer gepackt und im Kofferraum ihres Metro verstaut hatte, und mit der Erlaubnis, den Wagen auf dem Parkplatz stehenzulassen («sollte nicht allzulange dauern», erklärte sie), ging Claire langsam auf den Kreisverkehr zu und kam bald zu dem Schild: . Sie wandte sich nach links und durchquerte einen Hof, bis sie an eine Reihe von zweistöckigen Häusern aus gelbem Backstein mit einheitlich weiß gestrichenem Holzwerk gelangte. Die Nummer, die sie suchte, war die erste, die sie sah.
    Nachdem sie leise geklopft hatte, sah sie durch das Fenster links von ihr die weißen Regale einer Küche und eine große Plastikflasche Persil auf dem Abtropfbrett. Sie sah auch, daß das Fenster direkt über ihr weit geöffnet war, und wußte, daß er zu Hause sein mußte, noch bevor sie die verschwommene Silhouette hinter dem Milchglas sah.
    «Was zum

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