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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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mir.»
    «Oh!»
    «Hören Sie», sagte Morse langsam, «wenn es einen Durchbruch in dem Fall gibt. Wenn es irgendeinen Grund gibt...»
    «Sie haben die Leserzuschriften gesehen?»
    «Lieber würde ich auf meine Lieblingssendung im Radio verzichten, Die Archers!»
    « Halten Sie das Ganze für einen Schwindel?»
    Strange hörte Morse tief Luft holen. «Nein! Nein, das tue ich nicht. Ich denke nur, daß wir eine Menge falsche Hinweise und falsche Geständnisse bekommen werden — Sie kennen das ja. Bekommen wir immer. Das Problem ist — wie stehen wir denn da, wenn wir alles zu ernst nehmen?»
    Ja, Strange war genau der gleichen Meinung. «Hören Sie, Morse, kann ich Sie morgen anrufen? Wir müssen diese verdammten Rabauken in Broadmoor Lea zur Schnecke machen...»
    «Ja, ich habe davon gelesen, als ich weg war.»
    «Hatten Sie einen schönen Urlaub — in Lyme?»
    «Nicht besonders.»
    «Nun, ich überlasse Sie jetzt wohl besser Ihrem... Ihrem     «Ja, das wäre nett.»
    Nachdem Morse den Hörer aufgelegt hatte, schaltete er seinen CD-Spieler wieder ein, um die Opfer-Szene aus Wagners Götterdämmerung zu hören, und bald ertönte die reine und klare Stimme der schwedischen Sopranistin Birgit Nilsson in der Wohnung des Chief Inspector.

Kapitel zwanzig

    Als ich mich beklagte, daß ich an einem prächtigen Tisch gegessen hätte, ohne einen einzigen Satz zu hören, an den zu erinnern sich lohne, sagte er (Dr. Johnson): «Eine solche Konversation ist selten.»
    (James Boswell,

    Das Leben des Samuel Johnson)

    Am Sonntag, dem 12. Juli, lag Claire Osborne in den frühen Morgenstunden noch immer wach im Bett und fragte sich wieder einmal, was eigentlich sie vom Leben erwartete. Es war in Ordnung gewesen — es war gewöhnlich . Alan war physisch auf der Höhe — und so liebevoll. Sie mochte ihn sehr gern, aber sie könnte ihn niemals lieben. Sie hatte ihm so viel von sich selbst gegeben, wie sie konnte, aber was, so fragte sie sich, machte das alles erinnerungswürdig? Wo blieb die andauernde Freude an einer weiteren ihrer kurzen, verbotenen, etwas beunruhigenden Begegnungen?
    «Zum Teufel mit all diesem Sex-Quatsch, Claire!» hatte ihre beste Freundin in Salisbury gesagt. «Finde einen Mann, der interessant ist, das ist meine Meinung. Wie Johnson. Das war ein interessanter Mann!»
    «Doktor Johnson? Er war ein großer fetter gewöhnlicher Kerl, der sich immer die Suppe über die Weste tropfen ließ, und er roch streng und wechselte nie die Unterhosen!»
    «Nie?»
    «Du weißt, was ich meine.»
    «Aber alle wollten ihn reden hören, nicht wahr? Das ist es, was ich meine.»
    «Ja. Ich weiß, was du meinst.»
    «Na also!»
    Und die beiden Frauen hatten zusammen gelacht — wenn auch wenig überzeugt.
    Alan Hardinge hatte vorher wenig über den schrecklichen Unfall gesagt: Ein paar Einzelheiten über die Beerdigung, mit steinerner Stimme hervorgebracht, über den kleinen Gottesdienst, den sie in der Schule abhalten würden, über die unerwartete Hilfsbereitschaft der Polizei, der Behörden, der Nachbarn und Verwandten. Aber Claire hatte ihn nicht nach seinem eigenen Kummer gefragt. Sie würde damit, das wußte sie, Territorium betreten, das ihr nicht gehörte und nie gehören würde...
    Es war 3.30 Uhr, als sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

    Am Frühstückstisch am nächsten Morgen erklärte sie kurz, daß ihr Mann abgerufen worden sei und nur sie frühstücken würde: Kaffee und Toast bitte, sonst nichts. Etwa ein Dutzend Zeitungen, in der rechten oberen Ecke mit den Zimmernummern versehen, lagen in einem Stapel auf einem Tisch gleich neben der Tür zum Frühstückszimmer. Die Sunday Times war nicht darunter.
    Jim O’Kane interessierte sich nie besonders für die Titelseiten der Sonntagsblätter, aber zehn Minuten bevor Claire auftauchte, fiel sein Blick auf das Foto. Sicherlich hatte er das junge Mädchen doch schon einmal gesehen! Er nahm die Sunday Times mit in die Küche, wo seine Frau auf den verschiedenen Grillgeräten das Garen von Speck, Eiern, Tomaten, Champignons und Bratwürsten überwachte. Er zeigte auf das Schwarzweißfoto auf der Titelseite:
    «Erkennst du sie?»
    Anne O’Kane musterte das Foto ein paar Sekunden lang, drehte den Kopf nachdenklich erst zur einen, dann zur anderen Seite und versuchte eine Ähnlichkeit zu irgendeinem ihr bekannten jungen Mädchen festzustellen. «Sollte ich sie kennen?»
    «Ich glaube, ich kann mich an sie

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