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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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großzügig mit Bäumen und blühenden Büschen bepflanzten Park begrenzten. Es gab reichlich Parkplätze, und nach seiner zweiten Runde ließ er den Jaguar an der südlichen Seite stehen und ging zu Fuß an den zwölf Häusern mit den italienisch wirkenden Fassaden vorbei, aus denen die terrassenartig angelegte Häuserreihe bestand. Am östlichen Ende folgte er einer schmalen Gasse und bog dann in den etwa drei Meter breiten Weg ein, der hinter den Grundstücken entlangführte. Die durchgehende Backsteinmauer rechts von ihm, die die kleinen Gärten hinter den Häusern abschirmte, war nur etwa eineinhalb Meter hoch, und er sah, daß er nicht einmal einen der Gärten betreten mußte, um zu finden, was er suchte. Es war alles kinderleicht — kein messerscharfer Verstand wie der eines Sherlock Holmes war hier erforderlich; ein kurzes Auskundschaften in der Art Watsons würde fast umgehend zu der Stelle führen. So lehnte Morse sich nur wenige Minuten später über die Mauer des am weitesten nach Westen liegenden Grundstücks und fand die Einzelheiten von seinen Fotos spielend leicht wieder: die schwarzen Abflußrohre, die waagerechte Fernsehantenne, und dann, entscheidend, den Baum, an dessen niedrigstem Ast jetzt die rote Schaukel eines Kindes befestigt war. An der von Morse aus gesehen linken Seite des Gartens stand ein Gartenstuhl aus Holz, der sich fast in seine Bestandteile aufgelöst hatte, und er spürte mit erregender Gewißheit, daß von diesem Stuhl aus, in diesem Garten, irgend jemand — und sehr wahrscheinlich Karin Eriksson selbst — die beiden Fotos von dem hellhaarigen, kurzköpfigen, schlanken... was hatte Dr. Hobson noch gesagt? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Und es spielte keine Rolle. Überhaupt keine Rolle.
    Er ging zu der imposanten Eingangstür des Anwesens am Ende der Häuserreihe, das sich auf einem kleinen Schild rechts von der Pforte nannte; darunter befanden sich drei Klingeln: zweiter Stock: Dr. S. Levi; erster Stock: Ms. Jennifer Coombs; Erdgeschoß: Ph. D. Alasdair McBryde. Eindeutig eine Gegend, wo Dr. phil. und Ph.D. nur so aus dem Boden hervorschossen. Er drückte auf den untersten Knopf.
    Ein ziemlich großer Mann, etwa Mitte dreißig, mit einem dichten Bart, öffnete die Tür und studierte Morses Ausweis sorgfältig, bevor er Fragen beantwortete. Er komme aus Ostreilia (sagte er), zusammen mit seiner Frau, und habe einen Forschungsauftrag in Mikrobiologie ; sie wohnten seit letztem August hier und würden in zwei Wochen nach Hause zurückkehren; er habe über einen Freund im Mansfield College von dieser Wohnung gehört, nachdem dieser sich im vergangenen Sommer nach einer geeigneten Unterkunft umgesehen habe.
    Seit letztem August...
    Sollte dies Morses Glückstag werden?
    «Kannten Sie die Leute — sind sie Ihnen begegnet — , die vor Ihnen hier gewohnt haben?»
    «Fürchte nein», sagte der Australier.
    «Darf ich mich kurz drinnen umsehen?»
    Offensichtlich ohne große Begeisterung führte McBryde Morse in das Wohnzimmer, einen großzügig angelegten Raum mit einer hohen Decke, und während Morse sich umsah, versuchte er, seine Sinne auf die leisesten Vibrationen einzustimmen. Ohne Erfolg. Erst als er durch die Terrassentür auf den sonnenbeschienenen Streifen Rasen schaute, spürte er einen leichten Schauer der Erregung: ein dunkelhaariges kleines Mädchen in einem rosa Kleid schaukelte müßig unter dem Baum hin und her; ihre in weißen Söckchen steckenden Füße erreichten gerade den Boden.
    «Ihre Tochter, Sir?»
    «Ja. Haben Sie auch Kinder, Inspector?»
    Morse schüttelte den Kopf. «Nur noch eine Sache, Sir. Haben Sie Ihr Buch, Sie wissen schon, Ihr Mietbuch oder wie man das nennt, zur Hand? Ich muß unbedingt Verbindung aufnehmen zu den, äh, Leuten, die im letzten Jahr vor Ihnen hier gewohnt haben...»
    McBryde trat an einen Sekretär neben der Terrassentür und holte sein Mietbuch hervor; auf dem Deckel stand: .
    «Ich bin nicht im Rückstand», sagte McBryde, mit der ersten Andeutung eines Lächelns.
    «Das sehe ich. Und ich bin kein Gerichtsvollzieher, Sir», sagte Morse und reichte das Buch zurück.
    Die beiden Männer gingen wieder zur Eingangstür, und McBryde klopfte sehr leise an die Tür rechts von ihm und legte das Ohr an die Füllung.
    «Darling? Darling?»
    Aber es kam keine Antwort.
    An der Wohnungstür stellte Morse seine letzte Frage:
    «Finders Keepers — das ist das Büro an der Banbury Road, nicht wahr?»
    «Ja.

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