Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
in sexueller Hinsicht zuzuschreiben, die der Jugend von Moralpredigern eingetrichtert werden. Das andere Zehntel ist physiologisch bedingt und wird auf diese oder jene Weise in Erscheinung treten, gleichgültig, wie die Gesetzeslage ist.

    (Bertrand Russell, Ehe und Moral)

    Lewis traf um 14.15 Uhr in der Seckham Villa ein und brachte die Frühausgabe der Oxford Mail mit, in der viele Spaltenzentimeter der Welle von Autoverbrechen gewidmet waren, die Oxfordshire geißelten — und die auch mit zunehmender Regelmäßigkeit die nationale Presse geißelten. Jeder und alles wurde abwechselnd verantwortlich gemacht: die Polizei, die Eltern, die Lehrer, die Kirche, die Rezession, die Arbeitslosigkeit, der Mangel an Jugendzentren, die Autohersteller, das Wetter, das Fernsehen, die Brauer, die linken Sozialarbeiter, die rechten Sozialarbeiter, und selbst der Teufel blieb nicht verschont. Paradoxerweise schien die Polizei mehr auf der Anklagebank zu sitzen als die Täter, die die zunehmend bösartigen Verbrechen begingen. Aber wenigstens der Einsatz an diesem Vormittag war erfolgreich gewesen, berichtete Lewis; das einzige Problem sei, daß weitere Polizeiaktivitäten im Wytham-Wald drastisch eingeschränkt worden waren — vier Männer nur noch, von denen einer in dem abgesperrten Gebiet in Pasticks Wache stand.
    Der vorübergehend deprimierte Morse nahm die Nachricht ohne große Überraschung entgegen und brachte Lewis kurz auf das laufende hinsichtlich seiner eigenen ambivalenten Errungenschaften des Vormittags: daß er den Garten entdeckt hatte, wo Karin Eriksson aller Wahrscheinlichkeit nach einige Zeit verbrachte, bevor sie verschwand, und die Leichtgläubigkeit, mit der er McBryde — mit ziemlicher Gewißheit eine Schlüsselfigur in dem Drama — mehr als genug Zeit zugebilligt hatte, sich eilig aus dem Staub zu machen.
    Am äußeren Ende des Korridors vor dem Eingang zur Wohnung führte eine ziemlich steile Treppe in einem Bogen zum Kellergeschoß der Seckham Villa, und hier machten sie die erste Entdeckung. Der Keller bestand aus einer großen, modernisierten Küche nach vorn und dahinter, durch einen Bogengang zu erreichen, einem großen Aufenthaltsraum mit Sesseln, einer Polsterbank, niedrigen Tischen, Bücherborden, TV, HiFi-Anlage — und einem Doppelbett aus Mahagoni, abgezogen und mit einer hellblauen Matratze. Neben dem Bett war eine Reihe von vier miteinander verbundenen, rechteckigen Holzbrettern angebracht, an denen entlang zwei Stahlschienen liefen — Schienen, so wurde sofort angenommen, auf denen vor kurzem und wahrscheinlich häufig eine Filmkamera hin und her bewegt worden war.
    Morse verbrachte (mit Lewis und einem der DCs) den größten Teil des Nachmittags hier, nachdem die Männer für Fingerabdrücke, der ranghöchste Tatortbeamte und der Fotograf ihre üblichen Aufgaben abgeschlossen hatten. Deutliche Fingerabdrücke an dem (nicht abgewaschenen) Kochtopf und den Bestecken im Spülstein würden zweifellos mit den unzähligen anderen, die man in der ganzen Wohnung gefunden hatte, übereinstimmen, würden zweifellos McBrydes sein und würden (wie Morse das sah) zweifellos die Ermittlung kein bißchen weiterbringen. Keine Kleidungsstücke, abgesehen von zwei Paar schmutzigen beigefarbenen Socken in einem der Schlafzimmer, keine Toilettenartikel auf den Ablagen im Badezimmer, keine Videokassetten, keine Briefe, keine zerrissenen Papiere in den beiden Papierkörben oder in dem Mülleimer neben der Hintertür. Alles in allem schien es ziemlich eindeutig, daß die Wohnung worden war —vielleicht erst vor kurzem? — für den Fall einer schnellen Flucht. Doch es gab Dinge, die nicht zusammengepackt und in den weißen Lieferwagen gestopft worden waren, den McBryde (wie schnell ermittelt wurde) für Reisen benutzt hatte, und Schränke im Erdgeschoß wie auch im Keller enthielten Federbetten, Bettlaken, Kopfkissenbezüge, Decken, Handtücher und Tischdecken — zweifellos Dinge, die auf dem Inventarverzeichnis der Wohnung standen, und die Vorratskammer war angemessen gefüllt mit Konservendosen — Bohnen, Obst, Lachs, Spaghetti, Thunfisch und ähnlichem.
    Aber es waren natürlich die Schienen neben dem Doppelbett im Keller, die das größte Interesse erregten, manches Hochziehen der Augenbrauen und viele schlüpfrige Randbemerkungen unter jenen Untersuchungsbeamten, deren detektivische Fähigkeiten, zumindest in diesem Fall, denen des Chief Inspector entsprachen. Es hätte in der Tat ein

Weitere Kostenlose Bücher