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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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beträchtlicher Verwirrung, letzterer verständlicherweise aufgebracht.
    Und noch jemand hatte die Notiz gelesen.

    Die schlanke Selina war besorgt gewesen, seit Morse die Agentur aufgesucht hatte. Nicht, weil sie irgendeine Weisung vernachlässigt hätte, sondern weil sie etwas versäumt hatte. Als Morse fragte, ob sie irgend etwas über McBryde wüßte, war sie fast überzeugt, daß es irgendwo ein Foto von McBryde gab. Jedes Jahr an Weihnachten hatte die Agentur ein kleines Fest mit Kanapees und Rotwein gegeben, und später an jenem Nachmittag in der Abingdon Road, und vorübergehend ohne die allmächtige Michelle, hatte sie eine Idee, wo, wenn überhaupt, das Foto sein könnte. Sie schlug die Ordner unter etc. auf, und da war es: ein schwarzweißes 10 X 15 Foto von etwa einem Dutzend von ihnen, mit Papiermützen auf dem Kopf, die Weingläser hochhaltend — eine fröhliche, großzügig geölte Runde. Und in der Mitte stand der bärtige McBryde, die Arme um zwei weibliche Mitfeiernde gelegt.

    Morse hatte ein Exemplar der Times am Menzies-Bücherstand im Bahnhof von Oxford gekauft. Für den Fall als Ganzes war die Leserzuschrift, die er kurz nach Didcot las (im Kreuzworträtsel war nur noch eine Frage offen), ohne besondere Bedeutung. Doch für Morse war es ein bemerkenswerter Brief. Er erinnerte ihn an ein Verspaar, das er lange in seinem geistigen Gepäck mit sich herumgetragen hatte.

    Von Mr. Gordon Potter

    Sir, mein Interesse an den Schwedenmädchen-Versen ist minimal; ich bin überzeugt, daß die ganze Geschichte ein zeitraubender Schabernack ist. Aber es wird Zeit, daß jemand eine kurze Anmerkung zu dem großartigen Brief hinzufügt, der am 13. Juli in Ihrer Zeitung abgedruckt wurde. Wenn wir unter Priestern römisch-katholischen Glaubens nach dem Verfasser der Verse suchen sollen, möchte ich vorschlagen, daß er fast mit Sicherheit auch ein Bewunderer des größten Dichters und Gelehrten unseres eigenen Jahrhunderts ist. Ich meine A. E. Housman. Wie sonst können wir Zeile 3 der abgedruckten Verse () erklären? Lassen Sie mich Norman Marlow in seinem kritischen Kommentar A. E. Housman, Seite 145, zitieren: «Zwei der schönsten Zeilen in Housmans Arbeit sind gewiß folgende:
    And like a skylit water stood
    The bluebells in the azured wood.
    Hier haben wir wieder eine Wasserspiegelung, und diesmal wird die magische Wirkung erzeugt durch das Wiederholen der Silbe im Wort , aber umgekehrt, wie auch eine Spiegelung im Wasser umgekehrt ist.»

    Mit freundlichen Grüßen
    J. GORDON POTTER
    
    Leckhampton Road
    Cheltenham
    Glos.

Kapitel siebenundvierzig

    Zu Hause verändern die Jahreszeiten
    Die Wege und Menschen, die dort schreiten,
    Doch hier in London sehe ich nur
    Leute in den Straßen — keine Natur

    (A. E. Housman, A Shropshire Lad)

    Morses Tag war zufriedenstellend, doch wenig mehr.
    Er kam eine Viertelstunde zu spät in Paddington an. Die Diesel-Lok war die beiden letzten Meilen nach Paddington im Schrittempo dahingehumpelt, aus Gründen (vermutete Morse jedenfalls), die selbst dem Lokführer nicht genau bekannt waren. Doch traf er immer noch rechtzeitig genug in der Schwedischen Botschaft am Montague Place ein für seine Verabredung mit Ingmar Engström, einem schlanken blonden Burschen Mitte vierzig, der eine Art antiseptischer Sauberkeit auszustrahlen schien, sich aber als fähig und hilfreich erwies und bereit war, sofort zu veranlassen, daß in der Angelegenheit, die Morse ihm (mit äußerster Sorgfalt) erklärte, Erkundigungen eingezogen würden.
    Der Lunch wurde in Engströms Büro gebracht, und Morse schaute ohne Begeisterung hinunter auf die dünne, blasse Scheibe Pastete, die halbe Pellkartoffel und die große Schüssel mit nicht angemachtem Salat.
    «Sehr gut für die Taille», kommentierte der Schwede gutgelaunt. «Und hierdrin ist auch kein Zucker. Garantiert rein!» Und er goß gekühlten Orangensaft in ihre Gläser.
    Morse flüchtete vom Montague Place, sobald gute Manieren es gestatteten. Er bedankte sich überschwenglich, lehnte aber weitere Angebote von Quark, fettarmem Joghurt oder frischem Obst ab, und bald darauf konnte man hören, wie er dem Wirt eines Pubs in Holborn Komplimente machte, weil er sein Ruddles Country Bitter so gut in Schuß hielt.

    Tee als Mahlzeit hatte selten, Tee als Getränk noch nie einen großen Stellenwert bei Morse eingenommen. Obwohl er daher erleichtert war, daß er nicht zwischen

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