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Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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erreicht hatten - das eines Mediums, eines Zöglings, Meisters, Beschützers, Vormundes oder Mächtigen - im Endeffekt waren sie alle nur Menschen mit großen helfenden Talenten. Natürlich hatte man sie zu anderen Zeiten und an anderen Orten Schamanen genannt, Sibyllen, Seherinnen und Orakel, Wahrsagerinnen, Zauberer, Magier und sogar Hexenmeister. Es hatte sie seit jeher in allen Kulturen der Welt gegeben. Heutzutage hießen sie ganz einfach Hexen. Hexen und Zauberer. Einige, so wie Ileana, der listige Thantos und natürlich die Zwillinge, hatten ihre Begabung von ihren Eltern geerbt. Andere hatten es schwerer gehabt. Sie - auch er selbst gehörte dieser Gruppe an, dachte Karsh mit einem zufriedenen Lächeln - hatten lange und hart an sich arbeiten müssen, um Vollkommenheit zu erlangen. Die meisten Menschen verfügten über die Grundvoraussetzungen - scharfe Sinne, reine Herzen, Hunger nach Wissen -, aber nur wenige wurden in Familien geboren, die ihre Talente erkannten und förderten, während andere ihre Fähigkeiten selbst entdeckten.
    Wie gut, dass es Menschen gab, die die Begabten ohne das Wissen darum schützten. Sara war eine der Besten gewesen, bis die abscheuliche Krankheit sie überwältigte. Sie hatte ohnedies so vieles aufgeben müssen - ihr Heim, ihre Ehe und ihre Gesundheit - um den Hexenzögling Artemis beschützen zu können.
    Auch David Barnes gehörte zu ihnen. Doch Ileana stand der Sinn nicht nach einem Vortrag über Hexologie. Noch wollte Karsh ihr einen halten. Sein schmerzender Rücken verlangte, ebenso wie seine Arme, nach sofortiger Pflege. Falls er es nicht bald ins Coventry-Krankenhaus zu einem Spezialisten schaffte, wäre er bald niemandem mehr von Nutzen - weder Ileana noch Artemis und Apolla.

Kapitel 21 - EINE LEICHE IN BOSTON

    Noch bevor sie die Augen aufgeschlagen hatte, wusste Alex, dass sie nicht zu Hause war. Die stabile Matratze, die sie unter sich spürte, fühlte sich vollkommen anders an als die durchhängende Schaumstoffunterlage, auf der sie seit Jahren geschlafen hatte. Ihr Gesicht ruhte auf frisch gestärkter, knisternder Wäsche, statt auf dünnen, abgewetzten Laken, die schäbig glänzten. Sogar das Licht schien anders zu sein. Zu hell, glühendrot hinter ihren geschlossenen Lidern. Und die Stimme, die »neueste Informationen über Marleigh« ankündigte, gehörte nicht ihrer Mom.
    Aber auch nicht Cam, der Unbekannten mit dem perfekten Postkarten-Leben, von der sich möglicherweise herausstellen würde, dass sie ihre Schwester war.
    Alex lauschte, ohne sich im Geringsten zu bewegen.
    »Warum flüsterst du, Cam-o-rama?«, fragte die fremde Stimme.
    Die Frage war schwach, aber deutlich zu verstehen. Sie zog ein metallenes Echo, einen Hauch von statischer Störung nach sich. Letzteres, nicht die Stimme selbst, erinnerte Alex daran, wie Cams Freundin Beth gestern am Telefon geklungen hatte. Ihr wurde deutlich, dass sie hörte, wie jemand telefonierte nicht Beth und auch nicht Cam. Diese Erkenntnis erfreute und verwirrte sie zugleich, denn sie war nie zuvor in der Lage gewesen, Telefongespräche zu verstehen, zumindest niemals deutlich auf eine größere Entfernung.
    Seit sie hier angekommen war, seit Camryn Barnes ihre Hand genommen hatte, waren Alex' Sinne schärfer geworden, insbesondere ihr Hörvermögen. Gestern Abend hatte sie gewusst, dass Cams Eltern nach oben kamen. Gedämpft von ihrem eigenen und Cams Lachen hatte sie eine leise, ängstliche Stimme gehört: »Dave, wir müssen einfach nachsehen.« Und dann die Schritte auf der mit Teppich ausgelegten Treppe. Sie waren ins Zimmer geplatzt, die hübsche Frau mit den geschwollenen Augen, dicht gefolgt von ihrem Mann, dem Anwalt. Emily und Dave. Sie waren eigentlich ganz in Ordnung. Sie rochen sogar gut. Emilys Duft erinnerte an Marshmallows und Gardenien - zart, süß, pudrig und dennoch mit einem parfümierten Unterton. Davids hingegen war ... freundlich, dachte Alex. Grün und erdig, wie ein neuer Garten. Sie waren beide ganz nett, nur nervös und verwirrt. Auch nicht mehr als sie selbst, musste Alex sich eingestehen, und mehr oder weniger aus demselben Anlass. Zum Beispiel, was sie in diesem Haus tat, wie sie da hingekommen war und warum. Ihrem Erstaunen zum Trotz hatten sie Alex angeboten, so lange wie nötig bei ihnen zu bleiben. Sie öffnete die Augen und blinzelte vorsichtig ins Sonnenlicht. Vor der Helligkeit des Morgens zeichnete sich der Schatten eines Mädchens mit vom Schlaf zerzausten Haaren ab, die vor

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