Finsteres Gold
rummachen. Arme Yoko. Ihre Reifen versuchen auf der eisglatten Straße zu greifen. Ich versuche zu lenken und nicht in eine der aufragenden Schneewehen zu rutschen, die am Rand der Straße lauern. Es geht immer ums Versuchen, stimmt’s? Mehr können wir im Leben nicht tun: Versuchen, das Richtige zu tun, versuchen, die Highschool zu überleben, versuchen, auf tückisch glatten Straßen zu steuern, es einfach versuchen.
Devyn zitiert immer Yoda aus einem der ersten Star-Wars-Filme. Yoda spricht mit einer totalen Kifferstimme und gehört mit seiner ganzen Philosophie angeblich zur guten Seite der Macht. Mein Bild von ihm ist eine Kreuzung aus tibetanischem Mönch und einem Idioten, der noch im Einkaufszentrum rumhängt, obwohl er schon dreißig ist. Um dieses Bild abzurunden, sollte man noch eine grüne Katze hinzufügen. Egal, jedenfalls sagt Yoda: »Tu es oder tu es nicht. Es gibt keinen Versuch.« Ich hasse diesen Spruch. Manchmal kann man etwas nicht einfach tun. Manchmal kannst du nichts anderes tun, als es versuchen.
Ich drehe das Radio an und höre Bono zu, wie er von Verlust und Verlangen und Hoffnung singt. Das sind die guten alten U2, nicht ihr neueres Zeug.
Neben der Straße bewegen sich Schatten im Wald. Sie sehen aus wie Menschen. Aber das bilde ich mir nur ein, oder?
Genau.
Der Winternebel kriecht um die Baumstämme und verhüllt sie, und all das, was sich sonst noch neben der Straße verbirgt. Er ist grau. Und er ist gefährlich.
»Ich schau dich nicht an, Nebel«, verkünde ich und drehe das Radio auf Lautstärke zweiundzwanzig, was quasi garantiert, dass mein Trommelfell den Geist aufgibt, bis ich dreiundzwanzig bin.
Auf einmal fühlt meine Haut sich an, als würden abertausend Spinnen auf ihr herumkrabbeln und einen irischen Stepptanz aufführen. Vielleicht wirkt das lange Beisammensein mit meinem Vater noch nach. Aber vielleicht haben wir auch das Haus nicht ordentlich verschlossen. Vielleicht ist er entkommen.
»Scheiße.«
Ich klappe mein Telefon auf und drücke die Kurzwahlnummer zwei. Es klingelt und klingelt.
»Issie?«
»Zara?« Ihre Stimme klingt gedämpft, und ich bin mir nicht sicher, warum. Es klingt fast, als würde sie weinen. »Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut. Aber was ist mit dir?«
»Jep. Okey-hokey- …«
Ich klemme mir das Telefon zwischen Schulter und Kopf und lege beide Hände ans Lenkrad. »Das komische Gefühl ist da.«
»Das Elfengefühl?«
»Ja.«
Fahr weiter. Vorwärts. Bleib in Bewegung.
»Der Elfenkönig ist in der Nähe von dir, sodass sich deine Haut anfühlt, als würden Spinnen darüberkrabbeln?«
»Ja.«
»Oh-oh.« Sie murmelt etwas vom Hörer weg und fügt hinzu. »Sie hat das krabbelige Gefühl.«
»Wäre es schlimm, wenn ich dich bitten würde, näherzukommen?«
»Wir sind gleich da. Devyn ist auch hier. Ruf sofort Nick an!«
Ich klappe das Telefon wieder zu und überlege einen Augenblick. Ich möchte nicht, dass Nick in Gefahr gerät. Nachdem ich das Handy weggelegt habe, drehe ich das Radio wieder auf und fahre um eine Kurve. Ich habe sie noch nicht ganz durchfahren, da steige ich auf die Bremse. Mitten auf der Straße wartet ein blonder Mann. Bitte lass ihn nicht auf mich warten.
Definition
Von Elfen geführt: verirrt, verwirrt, irregeleitet.
Yoko gerät außer Kontrolle. Sie rutscht nach links, schleudert dann nach rechts und rast auf einen Baum zu. Der massive Stamm ist dicker als mein Auto. Wenn ich dagegenknalle? Das wäre nicht gut. Das wäre schlecht, sehr schlecht. Ich werde dagegenknallen.
»Nein!« Meine Stimme schreit das Wort, aber ich höre es eigentlich gar nicht. Ich trete noch heftiger auf das Pedal. Auch die Bremsen kreischen.
»Nick!« Ich rufe seinen Namen, ohne nachzudenken. Das Auto kracht in etwas Großes und Hartes. Den Baum? Mein Kopf wird nach vorn und nach hinten oder nach hinten und nach vorn geschleudert. Ich weiß es nicht. Der Airbag schlägt mir ins Gesicht und gegen die Brust. Ich sehe nichts mehr. Ich kann nicht atmen. Die Welt besteht aus Plastik und Schmerz. Kabel brennen. Der Geruch nach Säure steigt mir in die Nase. Ich drücke gegen den Airbag. Meine ganze Brust schmerzt.
»Komm raus! Komm raus!«, schreit mich eine männliche Stimme an.
Die Tür wird aufgerissen. Kalte Luft strömt herein. Es riecht jetzt noch schlechter. Noch verbrannter. Hände strecken sich nach mir aus, während ich schreiend um mich schlage. Ich stecke fest. »Nick?«
»Ich will dir helfen«, sagt der Mann. Er
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