Finsteres Gold
Sie zupft ihr Uniform-Shirt zurecht und stopft es wieder ordentlich in die schreckliche Polyester-Hose, die sie tragen muss. »Schwänzt ihr?«
Ich versuche zu lächeln, aber es funktioniert nicht ganz.
Nick steht neben mir. Sein Arm legt sich um meine Taille. »Zara fühlt sich ein bisschen blau.«
Die Worte »fühlen« und »blau« hebt er durch die Betonung besonders hervor.
Betty nimmt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und schaut uns blinzelnd an.
»Richtig blau«, bestätigt Issie und schaut dann leicht panisch zu Mike hinüber.
Betty hüpft vom Laufband. Sie legt mir ihre großen Hände auf die Schulter und beugt sich ein bisschen herab, um mir in die Augen zu sehen. »Blau, was? Niedergeschlagen?«
Ich schnüffle. Ihr Deodorant muss Überstunden machen. Es riecht schon gut, aber für mich ein bisschen zu sehr nach Babyöl.
»Mike«, sagt sie mit erhobener Stimme.
»Ja.« Er dreht den Kopf, um einen kurzen Blick auf uns zu werfen. Dann winkt er uns zu.
Dev und Is winken zurück.
»Ist es okay für dich, wenn du Josie eine Minute lang Gesellschaft leistest, solange ich hier mit meiner Enkelin spreche?«, fragt Betty. Aber wenn Betty so etwas fragt, dann klingt das eher nach einem Befehl. Glaubt mir, ich weiß es. Sie bedient sich desselben Tons, wenn es darum geht, dass ich meine Wäsche nach unten bringe. Wenn sie so redet, hat man keine Wahl. Es ist ein Befehl.
»Absolut. Ich brauche ohnehin noch einen Kaffee.« Mike steht auf und streckt sich. Er ist ziemlich groß, wie Nick, aber superdünn, mit Gliedmaßen wie eine Vogelscheuche. Mike zielt mit der Hand auf mich wie mit einer Spielzeugpistole und geht. Die Tür pendelt hinter ihm.
Kaum ist er weg, entfaltet Betty hektische Aktivität.
»Devyn, gib mir den Koffer, der bei der Garderobe steht«, ordnet sie an.
Devyn schnappt sich den knallroten Kasten, der aussieht, als würde man Köder darin aufbewahren, nur dass er mit medizinischen Symbolen bedruckt ist. Irgendwie cool, wie er das mit seinen Krücken hinbekommt.
»Zieh den Mantel aus, Zara.« Betty entriegelt den Koffer und klappt den Deckel auf.
Nick hilft mir, meinen Mantel loszuwerden.
»Krempel die Ärmel hoch«, beharrt Betty.
Ich tue, wie mir geheißen.
»Du bist blau«, stellt sie fest. Sie hält einen Moment inne. Unsere Blicke kreuzen sich.
»Ich weiß.«
»Vorhin war es schlimmer«, meint Nick.
Betty zieht eine Nadel hervor und eine Ampulle, in der man Blut aufbewahren kann. Ihre Stimme klingt verblüfft. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Issie nimmt meine Hand. »Möchtest du drücken?«
»Klar«, sage ich und erwidere den Druck ihrer kleinen Hand. »Warum nimmst du mir Blut ab?«
Betty schiebt die Nadel in meine Ellbogenbeuge. »Um zu sehen, ob du dich verwandelt hast.«
Ich schaudere.
»Halt still«, sagt sie, während sich die Ampulle füllt.
»Du kannst es an meinem Blut sehen?«, frage ich, während ich ihr zusehe. »Müsste ich mich nicht anders fühlen? Böse oder so?«
»Sagt mir, wenn es vorbei ist«, sagt Issie, deren Gesichtsfarbe sich ebenfalls verändert. Sie ist ganz blass geworden und sieht aus, als würde sie gleich ohnmächtig werden. »Ich vertrag das nicht. Ich hasse Blut und Nadeln. Schon allein das Wort Na … del. Igitt.«
Ich lasse ihre Hand los. »Es ist okay. Es tut nicht weh. Jedenfalls nicht sehr.«
»Du versuchst immer mutig zu sein, Zara. Das musst du nicht.« Betty zieht vorsichtig die Nadel heraus. »Nick, leg ein bisschen Verbandsmull darauf. Leicht andrücken.«
Sie verschließt die Ampulle und wendet sich wieder an uns. »Ich schicke das ein und lasse es untersuchen.«
»Und wohin schickst du es ein?«, frage ich.
»Zu meinen Eltern«, erklärt Dev. »Sie sind Experten.«
Ich raffe es nicht. »Ich dachte, deine Eltern wären Psychiater?«
»Sind sie auch. Aber sie beschäftigen sich auch mit ein paar, äh, Nebengebieten.«
»Zum Beispiel?«
»Kryptozoologie. Medizinische Erforschung der Unterschiede im Blut von Werwesen, Elfen und anderen.«
Ich schlucke. »Wie bitte?«
Er nickt. »Seit ich angegriffen worden bin, sind meine Eltern ein bisschen … äh … sehr eifrig geworden.«
»Sie sind ganz hervorragende Leute«, unterbricht Issie.
»Ja, aber mit dieser Sache übertreiben sie es ein bisschen. Sie haben den gesamten Keller in ein Labor verwandelt. Sie recherchieren vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Dabei haben sie bis zum vergangenen Herbst nicht einmal gewusst, dass es Elfen
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