Finsteres Gold
Schimmer umgibt sie, aber ihr Gesicht erinnert keineswegs an einen glücklichen Engel, eher an den kalten Stahl eines Messers. Es zerreißt mich fast.
»Du kannst diesen Krieger nicht retten«, sagt sie. Jedes Wort schneidet in meinen Magen ein. Jedes Wort ist ein Todesurteil, das ich nicht annehmen will.
Ich packe den Schürhaken und steige vorsichtig über Nick, sodass ich ihr direkt gegenüberstehe. Sie muss durch mich hindurchgehen, wenn sie ihn holen will. Meine Finger schließen sich fester um das kalte Eisen. »Ich lasse nicht zu, dass du ihn holst.«
»Du hast keine Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl.« Ich habe keinen Körperkontakt zu Nick, ich möchte ihn berühren, um sicherzugehen, dass er noch da ist. Ich trete ein bisschen zurück, sodass meine Ferse seinen Arm leicht berührt. Er bewegt sich nicht.
Thruths Schwingen erinnern mich an ein schwarzes, auf dem Kopf stehendes Valentins-Herz. »Nein«, sagt sie. »das stimmt nicht. Man hat nicht immer eine Wahl.«
Der Wind um uns herum wechselt die Richtung. Er treibt mir kalte Schneekristalle in die Augen. Ich frage mich, ob sie dahintersteckt.
»Du willst lieber, dass er hier stirbt, statt sein Leben als ein Kämpfer für das Gute in den Hallen von Walhalla fortzusetzen?« Sie grinst mich höhnisch an. »Du bist habgierig und egoistisch, typisch für einen Menschen.«
»Er wird nicht sterben«, beharre ich.
Sie nickt. Eine Sekunde lang huscht ein freundlicherer Ausdruck über ihr Gesicht. »Doch, er wird sterben, und zwar bald.«
Etwas in mir krampft sich zusammen. Verzweiflung erfüllt meinen Kopf und mein Herz. Meine Hände zittern, und meine Finger lockern ihren Griff um das Metall. Nick stirbt. Er stirbt, und ich kann ihn nicht retten. Er ist so blass und atmet kaum noch. Sein Körper ist wie eine Hülle, wie ein Mantel, der an einer Garderobe hängt, leblos und leer. Mein Körper sinkt in sich zusammen, aber dann richte ich mich mühsam wieder auf. Ich versuche, ihr den Schürhaken zu geben. »Dann töte mich. Nimm mich auch mit. Nur … nur lass mich nicht … Ich darf ihn nicht verlieren.«
Sie schüttelt den Kopf. Der Wind fährt in ihre wallenden Haare. Der Blick ihrer Augen wird hart. »Du bist kein Kämpfer. Du bist nur ein Mädchen. Ein Menschenmädchen.«
Jemand schluchzt. Das bin ich, und ich flehe sie an: »Bitte.«
Sie bewegt sich nicht. Der Wind legt sich. Die Luft ist auf einmal ganz klar, keine herumwirbelnden Schneekristalle behindern die Sicht. Ich kann alles an Thruth genau erkennen, jedes Haar, jede Feder. Doch ich flehe weiter und will es nicht akzeptieren.
»Bitte … Ich bin zur Hälfte Elf. Ich bin kein Mensch.« Ich fuchtle wild mit dem Schürhaken in ihre Richtung. »Ich färbe mich blau. Das ist typisch Elf. Nimm mich mit. Wenn du ihn mitnehmen musst, dann nimm mich auch mit!«
»Nein, ein Elternteil von dir ist ein Elf. Du bist immer noch ein Mensch, vielleicht bist du besonders empfänglich für Elfenmagie, oder vielleicht bist du dazu bestimmt, ein Elf zu werden, aber jetzt bist du ein Menschenmädchen. Nur ein Menschenmädchen.« Ihre Schultern bewegen sich ein kleines bisschen, und sie tritt einen Schritt vor. »Du bist noch kein Kämpfer. Du hast nicht getötet.«
Etwas in mir ballt sich zusammen: »Komm. Nicht. Näher.« Ich drehe den Schürhaken und steche in ihre Richtung. »Sonst bist du die Erste.«
Ihre Lippen zucken, als würde sie gleich lächeln. Sie empfindet mich in keiner Weise als Bedrohung. Witternd atmet sie die Luft ein: »Da kommen Elfen, Kleine.«
Sie zeigt hinter mich.
Ich drehe mich nicht um. Darauf falle ich nicht herein. »Du lenkst mich nicht ab.«
Sie seufzt. »Die Zeit deines Kriegers ist gekommen. Ich muss mich beeilen, sonst verlieren wir ihn beide.«
Ihre Haltung verändert sich. Ich wappne mich und stoße den Schürhaken in ihre Richtung. Sie schubst mich mit dem Arm zur Seite wie einen kleinen Hund.
»Nein!« Ich schreie das Wort heraus wie einen Fluch, wie ein Gebet und wirble zu ihr herum. Ich stürze mich auf sie und bekomme sie genau in dem Moment am Knöchel zu fassen, als sie Nick in ihre Arme nimmt. Meine Nägel ritzen ihre Haut auf. Ihr Blut ist rot. Ich benutze auch meine verletzte Hand, um besser festhalten zu können. »Du darfst ihn nicht mitnehmen.«
Ihre Schwingen spannen sich an und breiten sich über uns aus. Der Wind fährt unter sie, und sie hebt ab. Sie hebt ab und reißt mich mit
»Lass los«, sagt sie.
»Nein!« Ich verliere den Boden unter
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