Finsteres Gold
Elfen. Der Hass in mir ist kalt, aber er schiebt den Schmerz ein kleines bisschen beiseite. Und er gibt mir ein Ziel.
»Es ist bestimmt schwer, etwas zu verlieren, das so warm und wuschelig ist und so gut riecht«, sagt der Typ. Er macht einen Satz nach vorn und landet neben meinem Kopf. Seine Hand kommt auf mich zu und streicht über meine Wange. Seine Berührung ist grob. »Oh, sie weint …. wie süß. Keine Sorge. Der Schmerz wird nicht lange dauern. Außerdem werden wir für einen ganz neuen Schmerz sorgen, über den du nachdenken kannst.«
In der Krone eines Baumes kreischt eine Krähe. Der männliche Elf öffnet den Mund. Sein Zauber ist auf einmal erloschen, und seine Zähne sind wie spitze, todbringende Nägel.
»Oh, sie zittert, armes Baby«, spottet er.
Außer Nick darf mich keiner Baby nennen.
Ich denke nach. Die Frau hat uns fast erreicht, sie schleicht heran, aber auch sie humpelt. Ich muss den Mann zuerst angreifen.
»Ist sie auf ihrem Arm gelandet? Vielleicht ist er gebrochen. Wie lustig.« Die Frau kichert. »Wir könnten sie noch ein bisschen quälen.«
»War es nicht Qual genug, vom Himmel herabzufallen, während ihr Wolf von ihr weggetragen wird?«, fragt er.
»Sie hat uns eingesperrt. Für sie ist nichts genug«, zischt die Frau.
Er wendet sich wieder mir zu. Seine Augen funkeln. »Stimmt.«
Er öffnet den Mund und beugt sich vor. Seine Hände legen sich von beiden Seiten an meinen Kopf. Die Zugkordel von seinem Kapuzenpullover baumelt herab und trifft mich an der Wange. Er reißt meinen Kopf nach hinten, um besser an meinen Hals zu kommen. »Vielleicht nach Vampirart?«
Eine Sekunde lang reagiere ich nicht. Eine Sekunde lang denke ich: »Vielleicht ist es besser so. Vielleicht ist es einfach besser, aufzugeben.« Und ja, vielleicht ist das auch so. Aber nicht auf diese Weise. Ich will das nicht. Meine Finger umschließen den Schürhaken fester.
Der Elf kommt näher. Die Frau hüpft nach vorn. Stöhnend landet sie neben mir. Offenbar ist sie so schwer verletzt, dass sie sich nicht schnell bewegen kann. Gut.
»Nimm sie«, befiehlt sie. »Beeil dich, wenn du zuerst dran sein willst.«
»Halt die Klappe«, zischt er zurück. Seine Hände schließen sich fester um mein Gesicht. Seine Zähne kommen näher.
Das ist mein Einsatz. Ich bäume mich auf. Meine Beine treten, und mein Arm schnellt hinter meinem Rücken hervor. Der Schürhaken kracht in seinen Kopf. Seine Augen treten hervor und schließen sich. Ich rolle mich zur Seite und springe auf. Der weibliche Elf lacht. Wut steigt in mir auf.
»Nette Überraschung, kleine Prinzessin.« Sie spuckt das Wort geradezu aus. »Es wird so guttun, dich zu schmecken.«
»Genau.« Keine gute Retourkutsche. Ich bin jenseits guter Retourkutschen. Ich bin jenseits von so ziemlich allem. Nicks Name hallt in mir wider, und nur das höre ich im Augenblick. Nur das fühle ich. Ich funktioniere auf Autopilot.
Mit einem raschen Blick versichere ich mich, dass der Elfenmann sich nicht mehr bewegt. Die Elfenfrau folgt meinem Blick. »Er ist nicht tot, siehst du? Seine Brust hebt und senkt sich. Du bist genauso schwach wie dein Vater. Du hast nicht genügend Kraft, um uns zu töten, nicht wahr? Du kannst uns nur einsperren, uns langsam vor Begierde wahnsinnig werden lassen, weil du nicht den Mumm hast, das zu tun, was du tun musst. Weißt du, wie oft ich deinen Vater töten wollte mit seinen ewigen Bedenken? Aber ich konnte es nicht – oh nein – ich konnte es nicht, denn er war unser König.«
Sie wäre wunderschön, wenn sie nicht so elfenhaft aussehen würde. Ihr langes schwarzes Haar flattert im Wind.
»Ich habe euch eingesperrt, weil ihr Ungeheuer seid.« Ich zwinge mich dazu, die Wörter auszusprechen. »Weil mein Vater ein Monster ist.«
»Ungeheuer? Warum? Weil wir zu dem Schmerz stehen, den wir verursachen? Dazu stehen, dass er uns gefällt? Statt so zu tun, als wären wir heldenhafte Kämpfer wie dein Wolf.« Sie lacht höhnisch und spannt ihren Körper an. Gleich wird sie mich anspringen.
»Er ist ein Held. Er beschützt Menschen vor Kreaturen, wie du eine bist.«
»Und du.« Sie schnüffelt lächelnd. »Ich kann den Elf in dir riechen.«
»Ich bin nicht wie du«, knurre ich.
»Nein, das bist du nicht. Du verbirgst das Böse und das Gewaltsame in dir hinter einer Maske des Guten. Ich bin einfach böse.« Damit springt sie mich an.
Ich drehe den Schürhaken so, dass die Spitze nach vorn zeigt und stoße damit zu, so fest ich kann. Ich
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