Finsteres Gold
Vorwurf.
Ich schließe einen Augenblick die Augen, atme tief ein und erzähle es ihnen. Es dauert eine Weile, aber ich mache es. Ich erzähle ihnen, wie Nick verschleppt wurde und dass ich ihn nicht retten konnte.
Devyn wird ganz blass, und er schwankt. Er fährt sich mit den Händen durch die Haare, verzweifelt, immer und immer wieder wie ein Verrückter. Sein Handy kündigt eine SMS an. Er schaut nicht nach. Stattdessen fährt er sich weiter durch die Haare. »Du meinst, er ist gestorben?«
»Er war fast tot. Ich weiß … Sie hat ihn mitgenommen. Sie hat gesagt, er wäre nicht zu retten«, versuche ich zu erklären. Jedes Wort schmerzt in meinem Mund.
Issie schüttelt den Kopf. »Aber Nick kann nicht tot sein. Er ist unser Held. Unser Alphatier. Unser …«
»Issie!« Devyn versucht, sie zu unterbrechen.
Sie funkelt ihn wütend an. »Was ist los? Das war er doch! Darf ich nicht traurig sein?« Ihr Gesicht verzieht sich, und sie schlingt die Arme um sich. »Ich will nicht glauben, dass er gestorben ist. Ach, Zara, es tut mir so leid.«
Sie will mich umarmen, aber mir ist gerade nicht nach Umarmungen. Ich brauche Pläne und Taten. »Wenn ich mich in einen Elf verwandle, gibt es eine Chance, ihn zurückzuholen.«
»Was?« Issies Mund steht offen, und ich beginne eine lange Erklärung. Während ich rede, laufen Issie und Devyn die Tränen über das Gesicht. Ich darf mich jetzt nicht dazu hinreißen lassen, zu weinen.
Als ich fertig bin, stöhnt Devyn. »Das wird ihm gar nicht gefallen.«
»Mir egal«, beharre ich. »Ist mir auch egal, wenn er mich hasst. Ich muss es tun. Ich muss ihn zurückholen.«
Issie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und wischt sich die Tränen aus den Augen. »Aber Zara, du wirst ein Elf sein. Davor hast du doch immer solche Angst gehabt.«
Ich nicke so heftig, dass mein ganzer Oberkörper wackelt. »Ich weiß.«
Sie schauen mich entsetzt an und bombardieren mich mit all den Einwänden, die ich bereits kenne. Ich bin verletzt. Ich könnte sterben, wenn bei dem Kuss etwas schiefläuft. Und wenn alles gut geht, werde ich mich für immer verändert haben.
»Wir wissen nicht einmal, was genau es bedeutet«, beharrt Devyn. »Ich habe gelesen, dass du dann dem König verbunden bist.«
»Wie ein Sklave?«, fragt Issie. »Das ist ja gruselig.«
»Das wird er nicht tun«, sage ich. »Astley ist nicht so.«
Devyn lehnt sich auf dem Sofa zurück. Seine Stimme klingt zunehmend missmutig. »Du kennst ihn nicht. Vielleicht lügt er dich an.«
»Ja, vielleicht.« Aber ich habe mich entschieden. Sie wissen das. »Ich muss es versuchen. Ihr wisst, dass ich es versuchen muss.«
»Aber …«, hebt Devyn an.
»Es geht um Nick.« Meine Stimme bricht.
Issie greift nach meiner Hand. »Ich weiß, aber, Zara? Woher weißt du, dass du dir nicht etwas vormachst, dass es … dass es einfach unmöglich ist?«
»Ich weiß es nicht.« Unsere Blicke treffen sich. Ihre Augen sind voller Sorge und Trauer. »Wir müssen seine Eltern anrufen«, sage ich.
Devyn und Issie schauen sich an.
»Was ist?«
Issie schluckt. Sie beugt sich nach vorn und sagt: »Zara, Nicks Eltern sind tot.«
»Nein, sind sie nicht. Sie sind Fotografen. Sie sind für längere Zeit in Afrika bei Aufnahmen für Animal Planet oder so.« Ich ziehe den Reißverschluss meines Kapuzenpullovers bis zum Hals hoch. Nick würde sagen, ich bin im »Nerd-Modus«.
»Nein, meine Liebe, das ist eine Lüge.« Issie tätschelt mir den Oberschenkel. »In Wahrheit sind sie tot.«
»Aber … aber …« Mein Gehirn kann nicht fassen, was sie da sagt. »Wir haben über sie geredet. Wir haben darüber geredet, dass sie nach Hause kommen und wie es Nick damit geht, dass sie weg sind.« Ich zeige auf Devyn. »Du hast auch darüber geredet.«
Devyn windet sich. »Er wollte, dass wir weiter mitspielen, also haben wir mitgespielt.«
»Aber warum? Das ergibt keinen Sinn.« Ich schaue von einem zum anderen.
»Na ja, das ist die Geschichte, die er allen erzählt«, versucht Issie zu erklären.
»Aber ich bin nicht alle!« Ich stelle meine Füße auf den Boden und springe vom Sofa auf. »Ich bin die Liebe seines Lebens. Ich meine …« Ich verliere völlig die Fassung. »Ich sollte die Liebe seines Lebens sein.«
»Ach, Zara, Süße …« Issie kommt hinter mir her und schlingt die Arme um mich. »Das bist du auf jeden Fall. Du bist die Liebe seines Lebens.«
»Warum hat er mich dann belogen?« Zornig, hart und zugleich verzweifelt schleudere ich
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