Finsteres Gold
und er bewegt sich ganz mechanisch. Ihm werden diese Waffen nichts nützen, wenn er als Adler kämpft, aber vielleicht Issie und mir. Aber im Ernst? Noch vor einer Weile war ich nicht so scharf aufs Kämpfen, oder? Devyn hebt ein Schwert hoch und wiegt es in der Hand. Seine Augen sind so anders als die des Devyn, den ich kenne. Sie sind durchdringend und wütend und leer zugleich.
Er wendet sich an Issie. »Wir lassen sie büßen.«
Sie sagt nichts.
»Ich lasse sie büßen, Issie, für das, was du mitansehen musstest … für Nick.«
Sie antwortet mit einem Zitat: »›Die Menschen schlafen nachts nur deshalb friedlich in ihren Betten, weil harte Männer bereitstehen, um für sie Gewalt auszuüben.‹ George Orwell, der Typ, der Die Farm der Tiere geschrieben hat, hat das mal gesagt.«
»Zara?« Die Stimme meiner Mutter lenkt meine Aufmerksamkeit wieder zum Telefon.
»’tschuldigung, ich war abgelenkt«, sage ich. »Wir müssen überlegen, wie wir dafür sorgen, dass dir nichts passiert, Mom. Okay?«
Sie bemüht sich sehr, ihre Stimme fest klingen zu lassen: »Du kümmerst dich um dich. Und ich schaue nach mir. Wie geht es Nick?«
»Nick geht’s gut.« Ich würge die Lüge heraus, als Issie den Teekessel auf den Herd stellt. Sie gibt einen schluchzenden Laut von sich. Ich verlasse die Küche und gehe zurück ins Wohnzimmer, damit meine Mom nichts hört. Ich denke an Astley und daran, dass ich ihm trauen muss. »Glaubst du, dass alle Elfen böse sind?«
»Ja, Zara«, sagt meine Mom. »Ja, das glaube ich. Und ich glaube es nicht nur, sondern ich weiß es.«
»Und du würdest niemals einem vertrauen?«
»Nein, Liebes, niemals. Ich habe deinem Vater vertraut, und was hat er getan? Kaum ist dein Stiefvater gestorben, kam er, um mich zu holen, und er hat das nicht auf die feine Art gemacht. Er hat dich entführt.« Jetzt wird ihre Stimme fest. Sie muss mir nichts mehr vormachen. Es ist wirklich so. »Du kannst einem Elf nicht trauen, niemals.«
Aber ich muss einem Elf vertrauen. Ich habe keine Wahl. Wenn ich es nicht tue, dann gebe ich Nick auf, und das kann ich nicht tun, niemals.
Nachdem ich aufgelegt habe, rufen wir Mrs Nix an und erzählen ihr, was passiert ist. Vor lauter Aufregung schnattert sie los und ruft schließlich: »Wir müssen die Reihen schließen!« Dann verändert sich ihre Stimme zu einem bärenartigen Knurren: »Ich bin gleich da.«
Ich schalte das Handy ab und verkünde: »Mrs Nix ist auf dem Weg.«
»Gut!« Issie klingt fast munter, allerdings nur fast. Sie versenkt die Teebeutel in den Tassen. »Das ist gut.«
»Betty hat angerufen, dass sie im Krankenhaus bald fertig ist und dann gleich nach Hause kommt. Und meine Mom bleibt in ihrem Versteck.«
Devyn lehnt gegen den Küchenblock. Sein Gesicht erscheint mir sehr viel blasser als sonst. Wahrscheinlich strengt es ihn sehr an, sich ohne Krücken zu bewegen. Grams Laptop steht hinter ihm. Er hat recherchiert. »Hast du ihnen von Nick erzählt? Oder was du vorhast?«
»Nein.« Meine Stimme bricht. »Ich kann es ihnen nicht erzählen, denn dann …«
Er schaut mich mit seinem Adlerblick an. Ich schaue zurück und versuche, meine Kräfte zusammenzunehmen. Eine Sekunde lang schienen sie mich verlassen zu haben. Ich presse die Lippen aufeinander und versuche, die Schultern zu straffen.
Seine Stimme klingt nach Lehrer oder strengem Vater: »Bist du dir deiner Sache sicher?«
»Nein.«
»Ach, Zara.« Issie hört auf, die Teebeutel in das heiße Wasser zu tunken, kommt herüber und nimmt meine Hände. »Du musst kein Elf werden. Vielleicht gibt es auch eine andere Möglichkeit.«
»Ich könnte gehen«, meint Devyn.
»Nein«, lehne ich ab. »Sonst behalten sie dich.«
»Warum sollten sie mich behalten, und dich nicht?«
»Weil du ein Kämpfer bist.«
»Ein verwundeter Kämpfer«, spottet er.
»Mach dich nicht lächerlich.« Issie lässt mich los und wendet sich ihm zu. »Natürlich würden sie dich behalten.« Als ihr klar wird, was das bedeutet, wird sie ganz blass. »Du gehst nicht!«
»Ich werde gehen«, sage ich so ruhig wie möglich. »Ich bin die schlechteste Kämpferin. Ich bin hier keine große Hilfe.«
»Eigentlich bin ich ja die schlechteste Kämpferin«, meint Issie.
Ich erzähle ihr nicht, dass ich gerade getötet habe. Stattdessen lüge ich: »Okay, wir beide sind die schlechtesten Kämpfer, aber mein biologischer Vater ist ein Elf. Ich werde die Verwandlung besser überstehen, und Nick ist mein Freund.«
Devyn
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