Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
Vom Netzwerk:
»Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, ihr direkter Nachfahre zu sein, aber sie hat den Rat gegründet. Sie schuf unsere Zivilisation, gab uns Gesetze, damit wir nicht mehr als einzelgängerische Bestien leben, die einander beim ersten Anblick zu töten versuchen.«
    »Also ist sie die Stifterin eurer Kultur, nicht eure Schöpferin.«
    »Wer könnte das mit Sicherheit sagen, ma petite? Sie ist der Ursprung unseres heutigen Daseins, ist unsere Mutter in jeder Hinsicht.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht in jeder.« Ich stellte mich außer Reichweite und sagte: »Jemand, der ihre Sprache spricht, möge bitte für mich dolmetschen.«
    Valentina trat vor. »Sie verstehen inzwischen Französisch.«
    »Gut. Jean-Claude.«
    »Hier, ma petite.«
    »Sag ihnen, dass Musette ihr freies Geleit verwirkt hat und wir sie unter Hausarrest stellen müssen, dass ihr nichts geschehen wird, ihr aber nicht gestattet werden kann, andere zu verletzen.«
    Jean-Claude sprach langsam auf Französisch, damit ich es einigermaßen verstehen konnte. Im Lauf der Jahre war mein Wortschatz gewachsen, aber wenn jemand schnell redete, war ich aufgeschmissen. »Ich habe es ihnen mitgeteilt.«
    »Dann sag ihnen noch Folgendes: Wenn sie nicht zur Seite treten, sodass wir Musette festnehmen können, dürfen wir sie nach den Gesetzen der Mutter der Finsternis töten, weil sie gegen diese Gesetze verstoßen haben.«
    Jean-Claude schaute zweifelnd.
    »Wiederhole es einfach«, sagte ich. Ich ging zu Bobby Lee, der schwitzte und elend aussah.
    »Es tut mir leid, Anita. Wir haben dich im Stich gelassen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
    Er blickte verwirrt.
    »Öffne deine Lederjacke. Weit.«
    Er tat es.
    Ich zog seine Waffe aus dem Schulterholster und sah eine zweite im Gürtel stecken. Den Regeln nach durften nur Leibwächter bewaffnet sein. Ich hielt den Lauf nach unten und entsicherte.
    Bobby Lee riss die Augen auf. Ich war mir nicht sicher, ob er mir die Waffe lassen würde. Er tat es. Vorsichtig ging ich durch die Schar der Werhyänen zurück nach vorn.
    Die Waffe hielt ich zwischen den Falten meines schwarzen Rocks verborgen. »Was haben sie geantwortet, Jean-Claude?«
    »Sie glauben nicht, dass einer der Anwesenden sie verletzen kann. Sie behaupten, unbesiegbar zu sein.«
    »Wie lange haben sie geschlafen?«
    Jean-Claude fragte sie danach. »Sie wissen es nicht genau.«
    »Woher wissen sie, dass sie unbesiegbar sind?«, fragte ich.
    Er übersetzte, und sie zogen unter ihren weißen Mänteln Schwerter hervor, Kurzschwerter aus einem Metall, das dunkler und schwerer war als Stahl. Bronze? Ich wusste es nicht. Stahl war es jedenfalls nicht.
    Alle wichen vor den blanken Klingen zurück. »Sie behaupten, dass keine von Menschen geschaffene Waffe ihnen etwas anhaben kann«, sagte Jean-Claude.
    Musette lachte. »Sie sind die besten Krieger, die je erschaffen wurden. Mit ihnen als Beschützer kann mir gar nichts passieren.«
    Ich wich ebenfalls zurück, nahm einen sicheren Stand ein, soweit mit den hochhackigen Schuhen möglich, und hob die Waffe. Ich zielte auf den Kopf und traf. Die Schädeldecke verschwand in einem Schwall aus Blut und Hirnmasse. Der Knall schien ewig nachzuhallen, und ich konnte den Schrei nicht hören, ich sah nur die Lippenbewegung des zweiten Kriegers, der auf mich zustürmte. Auch ihm schoss ich in die Stirn. Die beste Nahkampfausbildung ist nutzlos, wenn man nicht nah genug herankommt, um sie anwenden zu können.
    Musette war starr vor Schreck und blutbesudelt. Ihre blonden Haare, das blasse Gesicht waren eine rote Maske, aus denen ihre großen blauen Augen hervorblickten. Ihr weißes Kleid war zur Hälfte rot.
    Ich zielte auf ihr entsetztes Gesicht und spielte mit dem Gedanken. Ja, ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt. Aber Jean-Claudes erschrockene Bitte – »Ma petite, um unser aller willen, tu das nicht« – war nicht erforderlich. Wegen Belle Mortes Vergeltungsmaßnahmen durfte ich Musette nicht töten. Doch ich ließ Musette in meinen Augen, meinem Gesicht, an meiner Körperhaltung sehen, dass ich sie töten würde und töten wollte und dass ich abdrücken würde, wenn sie mir den passenden Vorwand lieferte und ich Belles Rache für einen Moment vergäße.
    Musettes Augen füllten sich mit Tränen. Sie war dumm, aber so dumm auch wieder nicht. Ich wollte jedoch jedes Missverständnis ausräumen. »Was siehst du in meinem Gesicht, Musette?«, fragte ich leise, beinahe flüsternd, aus Angst, was

Weitere Kostenlose Bücher