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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Belle Morte hatte zu viel Klasse, um auf das Offensichtliche hinzuweisen. Doch es stand unausgesprochen im Raum.
    »Er braucht nur Kraft«, sagte ich. »Es muss nicht deine sein.«
    »Wenn er einen menschlichen Diener oder ein gehorsames Tier hätte, aber die hat er nicht«, sagte Belle und versuchte gar nicht, ihre Befriedigung zu verbergen. »Er ist allein, und die Bindung an mich ist seine einzige Möglichkeit, um wieder er selbst zu werden. Es sei denn, du willst, dass er für immer so bleibt, wie er jetzt ist.« Der Ton der Befriedigung ging in Grausamkeit über, und sie zuckte nicht mal mit der Wimper.
    »So kannst du ihn nicht lassen«, sagte Richard. Ich sah sein Mitleid, aber noch mehr Entsetzen. »An Belle Morte gebunden zu sein, kann nicht schlimmer sein als das.«
    »Hättest du je ihre Umarmung erlebt«, sagte Jean-Claude, »wärst du nicht so schnell mit deinem Urteil.«
    Richard sah ihn an, dann Asher, dann Belle Morte. »Verstehe ich nicht.«
    »Nein, offensichtlich nicht«, sagte ich. Dann sah ich zu ihm auf und berührte ganz leicht seinen Arm. »Stell dir vor, du wärst für immer an Raina gefesselt.«
    Empörung und Abscheu malten sich kurz auf seinem Gesicht ab, bevor er es verbergen konnte. Ich selbst trug einen Teil von Rainas Munin, ihrem Geist, in mir. Sie war sexuell sadistisch gewesen, hatte aber die Leute, die sie quälte, vor anderen mit aller Macht beschützt. Die Frau hätte wirklich einen guten Therapeuten gebraucht. Am Ende hatte sie nur die Behandlung mit Silbermunition bekommen. Ich hatte sie getötet und noch nie deswegen ein schlechtes Gewissen gehabt. Komisch.
    Richard nickte. »Verstehe, aber …« Er deutete mit einer hilflosen Geste auf Asher. »Aber das ist nicht …« Ihm fehlten die Worte.
    Verständlich. Mir fehlten selbst die Worte bei der Aussicht, Asher könnte auf diese Weise die nächsten Jahrhunderte zubringen müssen. Das war unerträglich. Einfach unerträglich. Aber ich konnte Belle nicht zwingen, ihm Lebenskraft zu geben, ohne ihn an sich zu binden. Vampirkräfte waren nun einmal so beschaffen, dass sie Bindung erzeugten. Sie banden einen Vampir an ihren Schöpfer und durch ihn an den Rat, an die gesamte Machtstruktur ihrer Welt. Alles bräche auseinander, wenn nicht jeder zu jemandem gehörte. Es gibt herrenlose Gestaltwandler, aber keine herrenlose Vampire. Es gibt Vampire, die ihren Meister verloren haben, aber sie sind gezwungen, sich einen neuen zu suchen, ihm den Bluteid zu schwören. Ein niederer Vampir mit geringen Kräften kann sogar sterben, wenn er keinen Meistervampir findet, der ihn beherrscht. Er legt sich bei Sonnenaufgang in seinen Sarg und wacht am Abend nicht mehr auf.
    Das wusste ich alles, aber es kümmerte mich nicht. Denn ich spürte – nicht Ashers Gedanken, aber seinen Willen. Er zog den Tod diesem Dasein vor. Dem Sklavendasein bei Belle.
    Ich kniete mich neben ihn. Den Tod konnte ich ihm geben. Mit dem Tod kannte ich mich aus. Ich streckte die Hand aus und stockte. Ich wollte ihn nicht anfassen. Wollte nicht fühlen, was aus der einst lebendigen Haut geworden war. Wollte ihn nicht so in Erinnerung behalten. Aber Feigheit ist mir zuwider, fast mehr als alles andere, und wenn Asher diesen Körper ertragen musste, dann konnte ich ihn wenigstens ein letztes Mal anfassen.
    Sacht, ganz sacht legte ich die Hand an seine Wange. Die Haut war papierdünn, trocken und brüchig. Ich hatte Angst, sie könnte unter meinen Fingern reißen wie die Seiten eines alten Buchs, wenn man es zu grob behandelt.
    Leider hatte ich vergessen, dass Vampirkräfte bei Berührung stärker werden. Sowie ich Asher berührte, fiel ich auf ihn und wand mich überwältigt von der Erinnerung an seinen Körper an meinem.
    Ich wurde gepackt und von ihm weggezogen, aber ich wehrte die Hände ab, stieß jemandem den Ellbogen in die Weichteile. Die Hände ließen mich nicht los. Wie von Ferne hörte ich jemanden meinen Namen schreien, immer wieder.
    Ich blinzelte, als erwachte ich soeben aus dem Schlaf, aber ich wusste, meine Augen waren nicht geschlossen gewesen. Es war Richard, der mich festhielt. Ihn hatte ich mit dem Ellbogen getroffen.
    Ich machte den Mund auf, um mich zu entschuldigen, aber was herauskam, war keine Entschuldigung. »Warum hast du dich eingemischt?«
    »Ich dachte, du würdest ihn erdrücken.«
    Als ich in sein Gesicht sah, wurde mir klar, wie ernst er das meinte. Und hatte ich nicht selbst eben noch Angst gehabt, Asher die Haut zu zerreißen? Aber jetzt

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