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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Vorteil.
    Eine Hand am Türrahmen schob ich den Fuß vorwärts. Ich wusste nicht, wie schlüpfrig die Plastiküberzieher in Flüssigkeit auf Kachelboden sein würden, und wollte es nicht auf die harte Tour herausfinden. Es gab zwei Dinge, die ich in diesem Badezimmer nicht wollte: Erstens auf dem Hintern landen, zweitens die Hand in die Wanne tauchen. Letzteres würde ich tun müssen, Ersteres würde ich nach Möglichkeit vermeiden.
    Langsam und vorsichtig schob ich die Füße vorwärts und blieb mit den Fingern so lange wie möglich am Türrahmen. Das Bad war nicht groß; von der Tür bis zur Wanne waren es nur zwei Schritte. Ich ließ den Türrahmen los und griff um den Wannenrand. Als ich mit beiden Beinen sicher stand, wagte ich den Blick ins Wasser.
    Es war eine rote Brühe. Ich wusste, es war hauptsächlich Wasser, aber die Farbe … ich dachte an die Färbebäder für Ostereier. Bei diesem war die Mischung nicht richtig gelungen, es war weder richtig rot noch richtig pink. Ich konzentrierte mich auf Ostereier, Essiggeruch und schönere Vormittage als diesen.
    Die Brühe bewegte sich zäher als Wasser. Wahrscheinlich war auch das Einbildung, aber ich hatte plötzlich die Vorstellung, dass etwas unter der Oberfläche schwamm. Etwas, das aus dem Wasser stoßen und mich packen würde. Klar, das war Unsinn. Ich hatte zu viele Horrorfilme gesehen, aber mir schlug das Herz im Hals.
    Ich blickte über die Schulter zu Zerbrowski. »Haben Sie nicht irgendwelche Anfänger, denen Sie das aufbrummen können?«
    »Was glauben Sie, wie wir das erste Körperteil rausgeholt haben?«
    »Das erklärt, warum da einer in die Büsche gekotzt hat, als ich hier angekommen bin.«
    »Es ist seine erste Woche bei uns.«
    »Sie sind gemein.«
    »Möglich, aber sonst wollte keiner die Hand reinstecken. Wenn Sie da fertig sind, werden die Techniker das Wasser abpumpen und durch ein Sieb laufen lassen, um die Beweisstücke aufzufangen. Aber Sie sollten den ersten Blick darauf werfen. Sagen Sie mir bitte, dass es kein Lykanthrop war, Anita. Sagen Sie mir das, und ich kann damit vor die Presse treten. Das würde die Hexenjagd beenden.«
    »Aber nicht die Hysterie, Zerbrowski. Wenn hier ein anderer Täter am Werk war, dann haben wir es mit den zwei übelsten Psychos zu tun, die St. Louis je gesehen hat. Ich würde liebend gern beweisen, dass es kein Gestaltwandler war, aber dann hätten wir andere Probleme.«
    Er sah mich verwundert an. »Ihnen wäre lieber, der Täter ist ein Lykanthrop?«
    »Erfahrungsgemäß gibt es bei zwei Tätern mehr Tote als bei nur einem.«
    »Sie denken wirklich sehr wie ein Polizist, Anita.«
    »Danke.« Ich wandte mich wieder der Wanne zu, und plötzlich wusste ich, dass ich es tun würde. Ich würde nicht tiefer reingreifen, als meine Handschuhe es zuließen, das wäre mir zu ungesund, aber wenn ich mit den kurzen Dingern ein Körperteil fand, würde ich es tun.
    Ich tauchte die Finger ein. Das Wasser war kalt. Es kroch langsam an meiner Hand hinauf. Sie war nur bis zum Daumenansatz drin, als ich gegen etwas Festes stieß.
    Einen Moment lang erstarrte ich, dann tastete ich mit den Fingern daran entlang. Es war weich und fest zugleich, fühlte sich fleischig an. Ich stieß an ein Stück Knochen, das gerade lang genug war, um es zu greifen, und zog das Körperteil aus dem Wasser. Es war ein Stück von einem Frauenarm. Der Knochen trat rosa-weiß hervor, als das Wasser daran ablief. Das Ende, das einmal an der Schulter gesessen hatte, war zerquetscht. Es gab Werkzeuge, die solch eine Verletzung hervorriefen, aber ich bezweifelte, dass der Täter sich diese Mühe gemacht hatte.
    Ich legte das Armstück beiseite und blickte ins Wasser. Diesmal griff ich ein wenig tiefer hinein und zog einen nahezu fleischlosen Knochen heraus. Er wirkte nicht wie das Körperteil eines Menschen und darum betrachtete ich ihn auch nicht als solches. Ich tat, als hätte ich einen Tierknochen im Wald gefunden und überlegte, welches Tier daran genagt hatte. Große Zähne, kräftige Kaumuskulatur. Nur wenige Raubtiere konnten Knochen zermalmen, aber die meisten Lykanthropen konnten es. Ich glaubte nicht, dass eine Hyäne aus dem Zoo entkommen und in ein Vorstadthaus eingebrochen war.
    Ich ließ den Knochen wieder ins Wasser sinken, ganz vorsichtig. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht bespritzt werden.
    Ich wandte mich von der Wanne ab, watete zur Tür, zog die Handschuhe aus, warf sie in den Müllbeutel, den Zerbrowski mir aufhielt, lehnte

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