Finsteres Verlangen
ganzer Seele.«
»Aber du liebst mich nicht mehr«, stellte sie sanft fest. Fast konnte man eine Spur Trauer vermuten.
»Ich habe erfahren, dass Liebe auch ohne Sex wachsen kann und dass Sex nicht immer zu Liebe führt.«
»Ich würde dich wieder lieben«, flüsterte sie.
»Non, du würdest mich wieder besitzen, und Liebe hat nichts mit Besitz zu tun.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Aber es ist wahr; das ist meine Erfahrung«, sagte er.
Die honigbraunen Augen richteten sich auf mich. »Das ist dein Werk. Irgendwie hast du das bewirkt.«
Jetzt kam ich mir wirklich albern vor mit der Hand am Messer in Musettes Brust, hatte jedoch Angst, es herauszuziehen, weil ich halb damit rechnete, dass Belle dann aufstünde, um zu sagen: Darauf habe ich nur gewartet. Also ließ ich es stecken und überlegte, was ich tun sollte. Doch beim Blick in diese hellbraunen Augen fiel das Denken schwer, fiel es schwer, nicht wegzurennen oder sie töten zu wollen. Wenn ich vor dem, der mir Angst macht, nicht weglaufen kann, versuche ich meistens, ihn zu töten. Eine Strategie, die bisher erfolgreich war.
»Was habe ich bewirkt?«, fragte ich und mir war anzuhören, dass ich mich zusammenriss. Damian massierte mir sanft die Schultern, um mir zu zeigen, dass er da war.
»Du hast ihn gegen mich aufgebracht«, sagte sie.
»Nein«, widersprach ich, »das hast du ganz allein hingekriegt, schon Jahrhunderte vor meiner Geburt.«
Die Maske unter Musettes Haut bewegte sich. Wenn ich ihr Gesicht berührte, würde ich sicher Dinge fühlen, die dort nicht hingehörten. »Ich habe ihn in mein Bett geholt. Was könnte jemand sonst von Belle Morte wollen?«
»Du hast ihm gezeigt, was deine Liebe wert ist, als du Asher aus deinem Bett verbannt hast.«
»Was hat Ashers Schicksal mit Jean-Claudes Liebe zu tun?«
Dass jemand, der die beiden kannte, diese Frage stellen konnte, war erstaunlich. Dass es ausgerechnet der Vampir tat, der die beiden zusammengebracht hatte, war gleichzeitig erschreckend und traurig.
»Du musst jetzt gehen, Belle«, sagte ich.
»Nanu, was habe ich gesagt, das dich verärgert hat?«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Liste ist lang, Belle, und wir haben nicht die ganze Nacht Zeit. Vielleicht nenne ich dir mal die Highlights. Aber geh jetzt erst mal, bitte. Es ist mir zu anstrengend, einer Blinden die Farben zu beschreiben.«
»Ich versteh nicht, was das heißt.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich.
Sie blickte zu mir auf und hob die Hand, wie um mir über die Wange zu streichen. »Wenn du mich anfasst«, sagte ich, »werde ich ausprobieren, ob Musette ohne Herz existieren kann.«
»Warum ist die Berührung durch meine Hand schlimmer als durch meine Beine?«
»Es ist nur so eine Ahnung, aber ich will nicht, dass du mich absichtlich anfasst. Außerdem sind es nicht deine Beine, auf denen ich sitze, sondern Musettes. Und selbst dessen bin ich mir nicht so ganz sicher. Also betrachte es als Vorsicht und fass mich einfach nicht an.«
»Wir sehen uns wieder, Anita, das verspreche ich.«
»Ja, ja, ich weiß.«
»Du glaubst mir wohl nicht.«
»Oh doch, ich glaube dir. Ich kann mich nur nicht reinsteigern.«
»Reinsteigern?«
»Sie meint, sie kann sich über deine Drohung nicht aufregen«, erklärte Jean-Claude.
Belle sah mich an. »Warum nicht?«
»Mir haben schon viele Vampire gedroht. Ich kann nicht jedes Mal in Panik verfallen.«
»Ich bin Belle Morte, ein Mitglied des hohen Rates. Du solltest mich nicht unterschätzen, Anita.«
»Das hat der Erdrüttler auch gesagt«, erwiderte ich. Er war damals in die Stadt gekommen und hatte es nicht überlebt.
»Ich habe nicht vergessen, dass Jean-Claude ein Ratsmitglied erschlagen hat.«
Tatsächlich hatte ich das getan, aber wozu zanken? »Geh einfach, Belle, bitte, geh einfach.«
»Und wenn ich beschließe zu bleiben? Was tust du dann? Was kannst du tun?«
Ich dachte über mehrere Optionen nach, die meisten waren für uns beide tödlich. Schließlich antwortete ich: »Wenn du diesen Körper behalten willst, meinetwegen. Es ist nicht meiner. Er gehört nicht mal einem meiner Vampire. Du willst ihn? Tu, was du nicht lassen kannst.«
Ich rückte von ihr weg und zog dabei das Messer heraus. Auf keinen Fall würde ich Musette das Messer überlassen. Sie keuchte laut, als die Klinge aus der Wunde glitt.
Dann packte sie mein Handgelenk, als wollte sie verhindern, dass ich erneut zustoße. Das kleine, schreiende Ich in mir wusste zwar, dass es noch auf Jean-Claudes Teppichboden
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