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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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schrecklicher Gedanke. »Bist du sicher, dass weder Micah noch Merle erwähnt haben, warum du heute an mir kleben sollst?«
    Er schüttelte den Kopf, sah aber sehr beunruhigt aus. Ich fragte mich zum ersten Mal, ob Merle sich vielleicht nicht nur durch Reden unmissverständlich ausgedrückt hatte.
    »Was hat er gesagt, was passiert, wenn du nicht bei mir bleibst?«
    »Dass er mir den Piercingschmuck mit dem Messer rausschneidet, besonders den ganz neuen.« Er klang nicht im Mindesten anzüglich, sondern müde.
    »Den ganz neuen? An der Brust?«
    »Nein.«
    Er griff zum Hosenschlitz und öffnete den zweiten Knopf.
    Ich hob abwehrend die Hand. »Stopp. Das reicht. Ich kann mir ungefähr denken, wo du …«
    »Ich dachte, warum nicht. Es heilt bei mir innerhalb von ein paar Tagen.«
    Tut das denn nicht weh?, wollte ich fragen, aber eigentlich wusste ich, dass man als Lykanthrop masochistisch veranlagt sein musste, um sich piercen zu lassen, da das Silber an der Haut brannte. Ich hatte mal einen gefragt, warum er sich kein goldenes Schmuckstück aussuchte. Die Antwort: Weil die Haut beim Zuheilen über das Gold drüber wächst; bei Silber passiert das nicht.
    »Danke, das reicht mir an Information, Caleb.«
    Sein übliches Lächeln brachte er nur andeutungsweise zustande, und sein Blick verriet Angst. »Ich versuche nur zu tun, was mir gesagt wurde.«
    Ich seufzte. Ich hätte bestimmt nicht erwartet, jemals Mitleid mit Caleb zu haben. Verdammt, ich konnte jetzt kein weiteres Sorgenkind gebrauchen. Ich hatte genug damit zu tun, auf mich selbst aufzupassen. »Gut, aber Nathaniel und ich bringen Jason zum Zirkus, damit er rechtzeitig da ist, wenn Jean-Claude aufwacht.«
    »Ich fahre mit.«
    Ich sah ihn nur an.
    »Anita, bitte«, flehte er, »ich weiß, ich bin dir immer auf die Nerven gegangen, aber ich werde mich benehmen. Ich werde dir keinen Ärger machen.«
    Hatte Micah ihn tatsächlich hergeschickt für den Fall, dass sich die Ardeur vor der Zeit meldete? Glaubte er, ich könnte Caleb dafür nehmen, obwohl er mir äußerst unsympathisch war? Andererseits hatte ich bei unserer ersten Begegnung mit Micah die Ardeur mit ihm befriedigt. Allerdings war es das erste Mal überhaupt gewesen, dass sich die Ardeur in mir erhob, und meine Selbstbeherrschung war gleich Null gewesen. Inzwischen hatte ich mich besser im Griff, aber nicht viel besser, wie mein Zwischenspiel mit Jason bewies.
    Ich würde mich später bei Micah über seine Wahl beschweren. Aber wahrscheinlich würde er bloß fragen, wen er sonst hätte schicken sollen. Und darauf hatte ich keine gute Antwort. Genau genommen nicht mal eine schlechte.

28
    A ls noch mehr Wölfe von Richards Rudel ankamen und es im Haus laut wurde, ging ich. Er hatte ein halbes Dutzend Aufpasser bei sich. Da brauchte er nicht auch noch mich. Und außerdem wollte er mich ja nicht mal.
    Ich wusste nicht, was ich für Richard noch tun konnte. Ich konnte dem Rudel helfen, aber Richard zu helfen überstieg meine Fähigkeiten. Er brauchte seelische Heilung, und wie ich die hätte bewerkstelligen sollen, wusste ich nicht. Wenn es darum ging, jemanden zu töten, zu verletzen oder zu bedrohen, war auf mich Verlass. Ich tötete aus Notwehr oder auch mal gezielt, wenn es einen guten Grund gab, aber Selbstmord war mir fremd. Richard hatte sich tatenlos auskühlen, sich die Lebenskraft wegsaugen lassen und nicht um Hilfe gerufen. Das war Selbstmord, passiver Selbstmord vielleicht, aber das Ergebnis war dasselbe.
    Jason setzte sich ans Steuer. Er stellte fest, dass ich schon den ganzen Tag seltsame körperliche Reaktionen zeigte und dass es schlecht wäre, wenn ich einen dieser Ohnmachtsanfälle beim Fahren bekäme. Ich erwiderte, dass die Ursache für die Ohnmachtsanfälle gebannt sei, weil ich die Kreuze an Musettes Zimmertür hatte anbringen lassen. Darauf hielt er mir entgegen, dass wir nicht hundertprozentig sicher sein könnten, dass das die einzige Ursache gewesen sei. Und ob es nicht besser wäre, vorsichtig zu sein. Dagegen konnte ich nichts mehr einwenden, und ich wollte nicht, nur um meinen Stolz zu wahren, mit drei anderen im Wagen einen Unfall bauen. Wäre es nur um meine Haut gegangen, hätte ich das Risiko vielleicht auf mich genommen. Meistens war mir die Sicherheit anderer wichtiger als meine eigene.
    Dass alle Mitfahrer Lykanthropen waren und einen Unfall besser überstehen würden als ich, spielte für mich keine Rolle. Wenn die Pelzigen durch eine Windschutzscheibe fliegen, bluten

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