Finsterherz
Gesicht schien von Wind und Wetter gegerbt. König und sein Helfer hatten bereits Mathias’ Jacke aufgeknöpft und begannen, ihm das Hemd über den Kopf zu ziehen. Er stöhnte und sein Atem ging pfeifend, als sie ihn dazu aufsetzten.
Die Frau beruhigte ihn und sagte danach etwas zu Katta in der Köhlersprache. Katta schüttelte zunächst den Kopf, begriff dann aber, was die Frau meinte, und trat zur Seite, damit Licht in die Hütte fiel.
Die Frau strich mit den Fingerspitzen vorsichtig über die Ränder der beiden Stichwunden an Mathias’ Schultern, um herauszufinden, wie tief sie waren.
»Und die Brust«, sagte Katta, »er hat auch etwas Schlimmes in der Brust.« Plötzlich beschlich sie ein unangenehmes Gefühl. Vielleicht glaubten diese Leute ja, sie sei schuld an Mathias’ Zustand. »Sie haben ihn aus dem Fenster geworfen«, fuhr sie fort. »Er hat seine Hände gegen die Brust gedrückt, als ich ihn gefunden hab.« Sie fing Königs Blick auf und erinnerte sich, dass er sie schon einmal eine Lügnerin genannt hatte. »So war es wirklich!«, beteuerte sie.
Doch König wandte sich ab. Sie wusste nicht, weshalb sie sich überhaupt Gedanken darüber machte, was er von ihr hielt. Schließlich war er nur ein Dieb.
Die Frau wusch Mathias das Blut ab, formte dann ein kleines Kissen aus Blättern und strich von einer Paste aus einem Tontopf eine dicke Schicht darauf. Schließlich drückte sie das Päckchen aus Blättern und Paste auf die Wunden. Sie nahm ihren Schal ab, band ihn um das Blätterkissen, damit es nicht verrutschte, und wickelte das schwere Tuch dann noch mehrmals um Mathias’ Brustkorb. Dann gab sie ihm etwas zu trinken, das süß und erdig roch. Er hatte noch nicht den letzten Schluck genommen, da fiel sein Kopf schon zur Seite und er schloss die Augen.
Die Frau sagte etwas zu Katta und zeigte auf das Bett. Ihren Gesten entnahm Katta, dass sie bei Mathias bleiben sollte, also setzte sie sich aufs Bett und beobachtete, was weiter geschah. Die Frau nahm zwei tote Kaninchen von einem Haken an der Decke. Dann setzte sie sich auf einen Hocker, der auf der Türschwelle stand, zog ein scharfes Messer aus dem Gürtel und begann die Tiere zu häuten.
König und sein Helfer waren bereits hinausgegangen. Katta sah sie vor der Tür stehen. König war derjenige, der am meisten redete; der andere Mann hörte zu. Ein oder zwei Mal nickte er und blickte zur Hütte herüber, und Katta wusste, dass gerade über sie gesprochen wurde. Sie lehnte sich zurück, sodass sie im Schutz der Dunkelheit die anderen weiterbeobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Dann kam ihr ein Gedanke: Ob die Frau sich nicht nur in die Tür gesetzt hatte, um die Kaninchen zu häuten, sondern auch, um sie am Verlassen der Hütte zu hindern? Sie blickte auf Mathias hinunter. Das Mittel, das die Köhlerin ihm gegeben hatte, ließ ihn tief und fest schlafen. Die Köhler hatten ihm nichts getan. Im Moment war er außer Gefahr. Was sie selbst betraf, so war sie sich nicht so sicher. Sie steckte den Stein, den sie bei ihrer Ankunft vom Boden aufgehoben hatte, in ihre Schürzentasche, behielt ihn aber fest in der Hand.
König beendete das Gespräch mit dem Mann. Der entfernte sich über die Lichtung und König kam zur Hütte zurück. Er sagte etwas zu der Frau, was Katta nicht verstand, dann beugte er sich durch die Tür herein und gab Katta ein Zeichen, zu ihm zu kommen.
»Warum können die Köhler nicht reden wie alle anderen auch?«, fragte sie, als sie aufstand.
»Ich an deiner Stelle würde mir gut überlegen, was ich sage«, warnte König. »Einige können es nämlich.«
Katta blickte rasch zu der Frau hinüber, um zu sehen, ob sie auch verstanden hatte, was gesprochen worden war. Unschöne Dinge über andere Leute zu sagen ist eine Sache; eine ganz andere ist es, unschöne Dinge zu sagen, die von den Betroffenen verstanden werde n – vor allem dann, wenn sie ein Messer in der Hand haben. Doch die Frau häutete weiter Kaninchen, und Katta ging davon aus, dass sie ihre Worte nicht verstanden hatte.
Sie folgte König zu einer kleinen Feuerstelle auf der Lichtung. Er hielt die Hände darüber, um sie zu wärmen. Jetzt, da sie Gelegenheit hatte, ihn eingehend zu betrachten, schien er ihr jünger, als sie zunächst angenommen hatte. Wahrscheinlich war er ihr deshalb älter erschienen, weil die Männer im Wald ihm so selbstverständlich gehorcht hatten. Das große Pferd war nicht angebunden worden. Es stand ruhig in der Nähe, die
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