Finsternis über Gan (German Edition)
Befehl, und der Trupp setzte sich gemächlich in Bewegung. Die Gefährten atmeten auf und verließen schleunigst den Platz, an dem es immer noch schrecklich stank.
»Was hast du dir denn dabei gedacht«, schnauzte Finn Joe an. »Du hast uns alle in Gefahr gebracht. Bist du wahnsinnig?«
»Also, ihr Menschen seid wirklich verrückt«, piepste Hildegard. »Da beschützt man euch und dann so was … ohne mich!« Mit dem orangefarbenen Vogel im Schlepptau flog sie wütend zwitschernd davon.
»Wo sie recht hat, hat sie recht«, sagte Pendo ernst, die nun mit verschränkten Armen vor ihm stand.
»Ich weiß schon, was ich tue. Wart‘s ab.« Joe ließ die Gefährten überhaupt nicht zu Wort kommen. »Philerigg, gibt es hier eine Abkürzung nach Änosch?«
Das Bergmännchen, dessen Gesichtsfarbe mittlerweile in Gelb umgeschlagen war, stotterte: »Ja, ja wir könnten hier direkt durch den Wald gehen.«
»Dann wären wir also vor dem König dort?«
»Aber ja doch.«
»Ok, beeilen wir uns«, forderte Joe die Gruppe auf.
»Stopp! Ich möchte zuerst wissen, was du vorhast«, fragte nun Chika.
»Bitte, vertraut mir doch. Ich bringe uns nicht in Gefahr. Versprochen.«
Chika verdrehte die Augen, lief aber los. Die anderen folgten ihr.
Der Weg querfeldein durch den Wald war anstrengend. Besonders das Bergmännchen hatte große Mühe. Die Bodengewächse waren oftmals größer als es selbst und herumliegende Baumstämme waren ernsthafte Hindernisse. Schon bald hatte es sich die Hosen zerrissen und so manche blutige Schramme zugezogen. Eine ganze Stunde mussten sie gegen die Natur kämpfen, bis sie endlich auf den Weg stießen, der zum Dorf führte. Joe holte ein Blatt Papier sowie Feder und Tinte aus seiner Tasche. »Oh, wie ich diese magischen Taschen liebe.« Die anderen schauten ihm neugierig über die Schulter und lasen mit:
Hochverehrter König Farlon,
wir, die Träger der Amulette von Gan, haben gehört, dass Ihr uns verfolgt und aus dem Land jagen wollt. Wir sind erschüttert über diesen Plan. Als treue Diener dieses Landes sind wir nur um das Wohl aller Lebewesen bemüht. Es liegt uns fern, die Regentschaft Eurer Majestät anzuzweifeln oder Euch irgendeinen Schaden zuzufügen, obwohl wir dazu gewiss die Chance gehabt hätten, wie Ihr anhand des Stofffetzens aus Eurem Umhang unschwer erkennen könnt.
Bedenkt, ob Ihr uns nicht doch Euer Vertrauen schenken wollt.
Hochachtungsvoll
die Träger der Amulette von Gan
»Das klingt doch super, oder?«, fragte Joe. »Geschraubt wie bei den Erwachsenen.«
»Äh ja, und was hast du damit vor?«, erkundigte sich Pendo.
»Das kommt hier an den Baum, damit er es findet.« Joe nahm einen seiner Pfeile und bohrte ihn durch das Papier und das Stück Stoff in den Baumstamm. »Ich bin gespannt, wie er darauf reagiert.« Stolz betrachtete er sein Werk. »So, und jetzt verstecken wir uns da hinten im Gebüsch.«
Sie mussten nicht lange warten, bis sie wieder das gemächliche Klappern der Hufe näherkommen hörten. Schon der erste Soldat entdeckte den Zettel, ritt heran und las ihn rasch.
»Was ist das?«, rief der König von hinten.
»Ein Brief an Eure Majestät.«
»Her damit.«
Der Soldat nahm den Brief vom Baum und überreichte ihn. Leise vor sich hin brabbelnd las der König. Der Soldat ritt zu seinen Kameraden und erzählte ihnen unter vorgehaltener Hand, was in dem Brief stand. Sie begannen aufgeregt zu tuscheln.
»Schweigt!«, herrschte der König sie an.
Als er zu Ende gelesen hatte, griff er nach seinem Mantel und fand schließlich die Stelle, in die Joe das Loch geschnitten hatte. Neugierig schauten die Soldaten zu ihrem Herrn. Was würde er tun? Er regte sich nicht.
Ein Soldat ritt zum ihm und fragte: »Majestät, sollen wir dieTräger der Amulette suchen? Sie können nicht weit weg sein. Ihr wisst doch, wie begierig der Herr Erzminister ist, sie zu finden und für ihr ungehöriges Betragen zur Rede zu stellen.«
Das Bergmännchen knetete wieder Finns Hand. Ihm war klar, dass es ein Leichtes sein würde, sie zu finden, wenn man nur richtig suchte. Alle Blicke hingen gebannt an den Lippen des Königs.
»Nein«, antwortete der mit weinerlicher Stimme. »Sie haben ja recht. Diese Kinder haben überhaupt nichts Unrechtes getan, und ich jage ihnen wie Verbrechern hinterher. Die Träger der Amulette sind Helden in unserem Land und keine Verbrecher. Das ist doch eine ganz verkehrte Welt. Was tue ich hier überhaupt? Was ist mit mir geschehen?« Er hielt inne.
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