Finsternis über Gan (German Edition)
blieben die ganze Zeit möglichst reglos hinter dem Busch sitzen. Weglaufen war unmöglich. Bestimmt wäre ein verdächtiges Geräusch entstanden.
Der König rülpste. Ein Soldat in seiner Nähe drehte angewidert den Kopf zur Seite. Es ging ihm ähnlich wie den Trägern der Amulette. Die erkannten Farlon nicht wieder. Wie konnte sich ein Mensch in nur einem Jahr derart zu seinem Nachteil verändern? Er war der freundliche und zuvorkommende Bürgermeister von Änosch gewesen, hatte die Träger der Amulette mit weisen Ratschlägen unterstützt und jetzt war er ein rülpsendes Königsschwein. Chika schüttelte angeekelt die Schultern.
Farlon breitete seine Arme aus, ein verabredetes Zeichen. Sofort liefen zwei Soldaten auf ihn zu. Sie griffen unter seine Arme und stemmten ihn in die Höhe. Nach dieser großen Anstrengung stand der übergewichtige König aufrecht und rieb sich zufrieden seinen Bauch.
»Ihr könnt alles wegräumen. Ich bin sofort wieder da«, sagte Farlon und wankte auf den Wald zu, genau in Richtung der Gefährten und des Bergmännchens, die sich erschrocken anschauten. Philerigg griff sofort nach der Hand von Finn und drückte sie so fest, dass dieser vor Schmerz fast laut aufgeschrien hätte. Nun kam Hildegard angeflogen und eilte ihnen zur Hilfe. Sie versuchte mit ihrem Gezwitscher den König in eine andere Richtung zu manövrieren. Das gelang ihr zwar nicht ganz, da es für den König auf dem Waldboden gar nicht so leicht war, die Richtung zu ändern, aber immerhin schaute er jetzt nicht mehr direkt in die Richtung der Jugendlichen, sondern war ihnen mit dem Rücken zugewandt. Die fünf ahnten, was auf sie zukam. Philerigg machte leise Würggeräusche. Finn schubste ihn und schaute ihn tadelnd an. Mit einem kräftigen Schwung breitete der König seinen roten Mantel hinter sich aus, ließ die Hose runter und hockte sich hin.
Chika hielt sich sofort die Nase zu und versuchte wie Pendo, Finn und Philerigg, in eine andere Richtung zu schauen.
Joe dagegen hatte eine Idee. Er erinnerte sich an seine eigenen Worte, dass jemand den König mal aufrütteln müsste. Natürlich wäre es absurd gewesen, ihn direkt anzusprechen oder gar ihn anzugreifen. Die Soldaten wären sofort herbeigeeilt und hätten sie alle gefangen genommen. Aber eine kleine Lektion könnte der König trotzdem gebrauchen. Er schloss die Augen, griff in seine Tasche und holte eine Schere heraus. Chika bemerkte als Erste, dass er etwas im Schilde führte. Sie hielt seinen Arm fest, aber er grinste sie nur verschmitzt an und kroch ohne Rücksicht auf die anderen auf allen vieren ein Stück näher an den König heran. Kein Zweig knackte, kein Blatt raschelte. Ein Blick zu den Soldaten zeigte ihm, dass sie mit dem Verstauen des Picknicks beschäftigt warenund natürlich höflich Abstand hielten, wenn ihr König sein Geschäft erledigte. Farlon bekam von alldem nichts mit. Er stöhnte, presste und brabbelte leise vor sich hin. Der Gestank war widerlich. Diese Tatsache des königlichen Geschäfts hatte Joe eindeutig unterschätzt. Aber zu spät. Wie sehr wünschte er sich jetzt eine Wäscheklammer herbei, die er sich auf die Nase stecken könnte. Mühsam kämpfte er gegen das würgende Gefühl im Hals. Hinter ihm lag Philerigg in Pendos Arm, die ihm ein wenig Luft zufächelte. Schon hielt Joe ein Stück des roten Umhangs in der Hand und schnitt mucksmäuschenstill eine Ecke heraus. So leise, wie nur ein Indianerjunge schleichen kann, kroch er den Weg zu den anderen zurück und setzte sich wieder hin. An den Gesichtern seiner Gefährten und der grünen Hautfarbe des Bergmännchens konnte er erkennen, dass sie ihn alle für verrückt hielten, aber da der König und die Soldaten in der Nähe waren, konnten sie ja nichts sagen.
Als der König mit seinem Geschäft fertig war, stand er unter großem Geächze auf und verließ den Ort des Geschehens. Von dem Loch in seinem roten Mantel bemerkte er nichts. Neugierig schauten sie hinter ihm her. Wie würde er wohl auf sein Pferd kommen? Da ging schon vor ihm einer der Soldaten auf alle viere und der König trat auf den Rücken des armen Mannes, der unter der großen Last ächzte. Er stieg mit seinem linken Fuß in den Steigbügel und wurde mithilfe von zwei Soldaten, die von der anderen Seite des Pferdes aus an seinem Arm zogen, auf das Tier gehievt. Anschließend stiegen die Soldaten auf ihre eigenen Pferde, wobei einer sich schmerzverzerrt eine Hand an den Rücken hielt. Der Kommandant gab einen
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