Finsternis über Gan (German Edition)
dem Königsschloss befanden. Finn, den Plan vor sich haltend, lief vorneweg. Plötzlich hörte der Weg auf. Die Gefährten standen vor einer Mauer. Finn schaute hektisch auf seine Karte. Er war sich ganz sicher, die Gruppe den richtigen Weg geführt zu haben.
»Und jetzt?«, fragte Pendo. Ihre Stimme klang matt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Finn. Erschöpft lehnte er sich gegen die Wand und raufte sich die Haare.
»Soll der ganze Weg in diesem finsteren Loch etwa umsonst gewesen sein?« Chika kämpfte wieder mit den Tränen. Sie konnte nicht mehr. »Wer weiß, wie alt diese Karte ist. Vielleicht haben die hier umgebaut.«
»Lass es uns mit der goldenen Kugel versuchen«, schlug Pendo vor.
»Ja klar«, sagte Finn kopfschüttelnd. »Warum vergesse ich immer wieder, dass Wände für uns kein Hindernis sind.«
Sie stellten sich im Kreis auf, und Finn richtete alle seine Gedanken auf die goldene Kugel, die erscheinen musste, damit sie auf die andere Seite der Wand gelangten. Sosehr er sich aber auch bemühte, es geschah nichts.
»Tut mir leid«, sagte er kleinlaut. »Aus irgendeinem Grund klappt das hier nicht.«
Wieder war eine Hoffnung zunichte.
Joe verlor die Fassung und trat voller Wucht gegen die Mauer.
Ein lautes Knirschen war die Antwort.
»Was ist das?«, quiekte Chika.
Erschrocken schauten die vier auf die Wand vor ihnen, die sich nun langsam zur Seite schob.
»Du hast mit deinem Fußtritt einen Mechanismus ausgelöst«, sagte Finn und lachte.
»Wow, was für ein Zufall«, staunte Chika.
»Hier in Gan gibt es keine Zufälle«, berichtigte sie Pendo. »Wir sollen einfach ans Ziel kommen. Los, gehen wir.«
Finn übernahm wieder die Führung und hechtete eine steile Treppe hoch, die schließlich vor einer dunkelbraunen Eichentür endete. »Das muss das Zimmer von Thainavel sein«, flüsterte er. Er legte sein Ohr an das alte Holz und horchte. »Ich kann nichts hören.«
Joe nahm seinen Bogen und einen Pfeil in die Hand. Pendo und Chika fassten an die Griffe ihrer Schwerter. Ganz sachte drückte Finn die Klinke der Tür herunter. Sie war nicht verschlossen. So leise er konnte, öffnete er sie. Als Erstes sah er die Rückseite eines Teppichs. Das erinnerte ihn an Besuche in alten Schlössern, in denen öfters Teppiche an den Wänden hingen und nicht auf dem Boden lagen. Die vier schlüpften eilig durch die Tür, die sie leise wieder verschlossen. Mit kleinen Schritten gingen sie seitwärts zwischen dem Teppich und der Wand entlang. Der Staub, den sie dabei aufwirbelten, begann ihnen in den Nasen zu kitzeln. Chika kämpfte gegen das aufsteigende Niesen. Tränen sprühten ihr vor Anstrengung aus den Augen. Sie verlor: »Hatschi.«
Die Gefährten erstarrten. Sie rechneten damit, dass jemand den Teppich wegreißen oder sie gar mit einem Schwert durch den Wandteppich hindurch aufspießen würde. Aber nichts geschah.
Eilig liefen sie bis zum Ende des Teppichs und traten in das Zimmer Thainavels.
»Puh, niemand zu Hause«, sagte Finn erleichtert. Die Möbel erinnerten sie an die Hütte des Bösen. Schwarz und edel. Der markante Geruch eines Männerparfums hing schwer in der Luft. Auf dem Schreibtisch lagen zahlreiche Dokumente. Es war nichtsAuffälliges an ihnen. Joe konnte seine Neugierde nicht zurückhalten und öffnete vorsichtig die Schublade des Schreibtischs.
»Joe!«, flehte Chika leise.
Er winkte ab. »Ach, ob er uns beim Rumschnüffeln erwischt oder wenn wir im Schloss rumlaufen, tut doch nichts mehr zur Sache.«
Darauf wusste Chika nichts zu entgegnen. Thainavel würde sie ohnehin gefangen nehmen. Es war tatsächlich egal, ob sie jetzt in seinen Sachen rumschnüffelten. Joe durchwühlte die Papiere und hielt auf einmal inne.
»Das ist ja echt der Hammer!«, sagte er.
»Was hast du gefunden?«, fragten die anderen.
»Thainavel ist sich seiner Sache wirklich sicher. Das hier ist eine Rede, die er geschrieben hat.« Drei Augenpaare schauten ihn erwartungsvoll an. »Eine Rede zum Tag seiner Krönung zum König von Gan.«
»Pack sie in deine Tasche. Das ist ein wunderbares Beweismittel«, forderte ihn Chika auf.
Finn fragte: »Steht seine Unterschrift drunter?«
»Ja, und dazu hat er ein Wappen gemalt, das er wohl als König führen will. In der Mitte ist ein Feuer speiendes Krokodil.«
Chika atmete zischend ein. »Die Zeit der Geheimnisse ist für ihn vorbei. Er will ganz offensichtlich die Herrschaft des Bösen in Gan aufbauen.«
Joe faltete den Brief zusammen und stopfte ihn in
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