Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
bleiben. »Ich zeige dir, wie man Tees und Tinkturen macht, mit denen man die Krankheit davon abhält, in die Lungen zu ziehen. Du musst sie warm halten – bring die Schafe und Ziegen herein, wenn es sein muss. Die Kälte wird sie sonst töten.«
In jeder der kleinen Hütten des Dorfs fand sie ungefähr das Gleiche vor – eine Familie, die sich im Bett zusammendrängte, befallen vom Fieber und so geschwächt, dass keiner in der Lage war, aufzustehen und zu kochen. Die Feuer waren beinahe heruntergebrannt, die Patienten ausgetrocknet, weil sie nichts getrunken hatten. Kerzenabschnitte vergingen und Carina, Adon und die Wachen taten alles, was sie konnten, um die zu retten, die noch nicht am Rande des Todes waren. Es war nicht ungewöhnlich, vier oder fünf Leute zusammengekuschelt im Bett vorzufinden, einige zu krank, um zu bemerken, dass bereits einer oder mehrere ihrer Bettgenossen tot waren. Carina befahl den Wachen, die Toten so gut wie möglich einzuwickeln und nach draußen zu tragen. Sie brachten sie in einen großen Holzschuppen, bis man sie ordentlich beerdigen konnte.
»Hier, esst das«, meinte Adon schließlich und drückte Carina ein Stück Hartkäse in die Hand. Sie lächelte dankbar und war sich der Tatsache bewusst, dass die Sonne schon hoch am Himmel stand und dass sie sich hungrig fühlte. »Ich habe noch nie einen Heiler gesehen, der jemanden aus den Armen der Lady wieder zurückbringen konnte.«
»Ich habe eine Menge Übung«, sagte Carina und schlürfte den letzten Rest ihres kerifs .
Viele der Dorfbewohner waren dem Tod so nah, dass das Heilen nur langsam voranging. Carina verlor den Sinn für die Zeit in den dunklen, rauchigen Häusern.
»Dies hier sind meine Mutter und meine beiden Schwestern«, stellte Adon die drei hager aussehenden Frauen vor, die gegen Mittag gekommen waren. Carina setzte die Frauen sofort dafür ein, um nach Wurzelgemüse und getrocknetem Fleisch zu suchen, um einen großen Kessel Suppe auf dem Herd im Gasthaus zu kochen.
Der Winterhimmel glühte rot hinter den Silhouetten der nackten Bäume, als Carina mit dem letzten ihrer Patienten fertig war. Casson, der Hauptmann der Wachen, schüttelte den Kopf, die Hände an den Hüften, und sah in den Sonnenuntergang.
»Es ist spät, m’Lady. Es ist zu gefährlich, jetzt noch nach Dark Haven zurückzureiten. Lord Jonmarc würde mich köpfen lassen, wenn ich Euch des Nachts durch den Wald reiten ließe.«
»Ihr seid sehr willkommen, hierzubleiben«, sagte Adon schnell. »Der Gastwirt ist mein Onkel. Es gibt Platz genug für die Männer, wenn sie zu zweit oder dritt im Raum schlafen und ein Zimmer für Euch, Lady Vahanian. Es wäre uns eine Ehre.« Er lächelte. »Ich werde Euer Gastgeber sein, werter Sänger und Euer Diener.«
»Seid gesegnet!«, antwortete Carina und fühlte, wie sich ihre Laune das erste Mal an diesem Tag besserte. »Ich nehme Eure Gastfreundschaft von ganzem Herzen an!«
Adon hielt Wort. Er fand genug in der Gasthausküche, um ein Mahl aus Brot, getrockneten Früchten, Fleisch und frischem Käse zusammenzustellen. Carina war dankbar für den heißen Tee und barg den Becher in ihren Händen. Sie war erschöpft. Für den Moment hatte sie die Dorfbewohner geheilt, aber es gab keine Garantie dafür, dass sie gesund bleiben würden, es sei denn, sie hielten sich warm und bekamen genug zu essen, um sich zu stärken. Mehr als alles in der Welt wünschte sie sich eine Gelegenheit, sich auszustrecken und zu schlafen.
Einen Kerzenabschnitt nach Sonnenuntergang erhob sich ein entferntes Klagen in der kalten Luft. Carina wechselte einen Blick mit ihren Wachen, die zu den Fenstern des Wirtshauses rannten. Das Klagen wurde lauter, es kam näher und Carina konnte ein Zittern nicht unterdrücken.
»M’Lady, was ist das?«, fragte Adon.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Carina. Ihre Wachen zogen die Schwerter und nahmen Posten im Schankraum ein. Adons Mutter und seine Schwestern drängten sie in ein Hinterzimmer. Die Mauern des Wirtshauses schwankten und ein lauter Krach in der Nähe ließ alle aufspringen. Jedes Fenster im Gasthaus zerbrach, eine Windbö rauschte durch die Räume und blies jede Kerze bis auf eine einzige Laterne aus, die in der Mitte des Raums von der Decke hing. Der Wind ließ die Laternen wild hin und her schaukeln, sodass sie ein undeutliches Schattenmuster über den Raum warfen. Adons Mutter und seine Schwestern versteckten sich unter dem Tisch. Carina griff nach einem Wanderstab, der von
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