Fiona
dich als Köder mißbrauchte. Er hätte deinen Bruder hierher bringen sollen. Stephen vergißt wohl, daß Brian Chatworth mich aus den Klauen deines Bruders befreite. Ich hätte dem Jungen kein Härchen gekrümmt. «
»Ich glaube eher, Stephen machte sich Miles’ wegen Sorgen — daß er Brian etwas antun könnte. « Fiona beugte sich vor und strich über das seidenweiche Haar auf Alexanders Kopf.
Alicias scharfem Blick entging nichts. »Und wann wirst du dein Baby bekommen? « fragte sie leichthin.
Fiona sah ihr nur stumm in die Augen.
Alicia stand auf und trug ihren Sohn zur Wiege zurück.
»Morag berichtete mir, seit du hier bist, hättest du nicht einmal geblutet. Du bist doch nicht krank, oder? «
»Bin es nie gewesen. Ich war mir nur nicht sicher, was mit mir nicht stimmen könne; doch es dauerte nicht lange bis ich begriff. Wem hast du davon erzählt? «
»Niemandem. Nicht einmal Stephen. Oder, vor allem nicht Stephen. Er würde zweifellos das Ereignis sofort feiern wollen. Hast du vor, Miles zu heiraten? «
Fiona steckte das weiche Plaid um Alexanders Füße fest.
»Er hat mich nicht um meine Hand gebeten; doch selbst wenn er das täte, würde uns nicht nur der Heiratsschwur und das Kinderkriegen verbinden. Für Roger wäre die Tatsache, daß ich eine Montgomery würde, kein hinreichender Grund, mich freizugeben. Er müßte erst wissen, daß ich aus freien Stücken sein Haus verließ und nicht gezwungen wurde. «
»Und würde Miles dich denn gezwungen haben? « erkundigte sich Alicia mit ruhiger Stimme.
Fiona lächelte. »Du weißt so gut wie ich, daß er mich zu gar nichts zwang. Aber ich glaube nicht, daß Miles so gerne mit mir verheiratet wäre. Ich würde von meinem Ehemann Treue verlangen, und Miles Montgomery weiß gar nicht, was dieses Wort bedeutet. «
»Ich würde an deiner Stelle keinen der Montgomery-Männer unterschätzen«, antwortete Alicia. »Sie mögen dir arrogant erscheinen, unbeugsam; aber es ist mehr an ihnen als nur ein hübsches Gesicht und ein männlicher Körper. «
»Soso«, meinte Fiona lachend und verließ das Zimmer.
Am nächsten Tag kehrte Alicia wieder zur Jagdgesellschaft zurück, und während Fiona als hilflose Jungfrau in Nöten die Hände rang und Kit sie von einem feuerspeienden dreiköpfigen Drachen befreite, fiel Fiona plötzlich aus der Rolle.
»Fiona! «, wies Kit sie zurecht, während er ein Holzschwert über seinem Kopf schwang.
Sie konnte ihm nicht erklären, weshalb ihr plötzlich eiskalte Schauer über den Körper liefen. »Miles«, flüsterte sie dann. Und zu der Amme gewandt, die Alex auf ihren Armen hielt, rief sie: »Ihr paßt auf Kit auf! « Damit stürmte sie die Treppe hinunter und hinaus auf den Burghof.
Als sie die Ställe erreichte, hatte sie die Hand bereits auf einem Sattel, ehe Douglas sie einholen konnte. »Ich kann Euch nicht fortlassen«, sagte Douglas mit bedauernder Stimme.
»Geh mir aus dem Weg, du Tor! « fuhr sie ihn an. »Miles ist in Schwierigkeiten, und ich reite zu ihm. «
Douglas verlor keine Zeit damit, sie auszufragen, woher sie denn das wisse, da kein Bote von der Jagdgesellschaft in die Burg gekommen war; sondern er verließ den Stall wieder, ließ drei leise Pfiffe hören, und binnen Sekunden standen zwei seiner Brüder neben ihm.
Fiona war nicht daran gewöhnt, ihr Pferd selbst zu satteln, und sie brauchte ungebührlich lange dafür; doch die Männer halfen ihr nicht dabei. Douglas prüfte nur den Sitz des Sattelgurtes, ehe er ihren Fuß packte und sie praktisch in den Sattel warf. Fiona zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er ihren Körper berührte.
Als sie durch das Burgtor sprengten, hatte Fiona keine Ahnung, wohin sie reiten sollte, doch dann sammelte sie sich in Gedanken, beschwor Miles’ Angesicht vor ihr inneres Auge und gab ihrem Pferd die Sporen, daß Douglas, Jarl und Francis ihr kaum zu folgen vermochten. Die vier Pferde donnerten über die enge Landbrücke, lenkten nach rechts und nahmen den Pfad auf der Klippe.
Fiona hatte keine Angst vor dem Abgrund neben dem steinigen Pfad, noch vor den Männern hinter ihr. Als sie wieder auf flachem, breitem Boden ritten, hielt sie nur sekundenlang an. Links von ihr befand sich das Territorium der MacGregors, und zu ihrer Rechten dehnte sich unbekanntes Gebiet. Sie lenkte ihr Pferd nach rechts, als habe ihr jemand den richtigen Weg zugeflüstert.
Einmal riefen die Männer ihr eine Warnung zu; sie bückte sich tief über den verschwitzten Hals ihres Pferdes
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