Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
stolpere vom Gehweg über den Randstein, wobei mir die Tüte mit dem Eis aus der Hand fällt. Sie rollt davon und bleibt auf einem schmutzigen Gully zwischen Müll und Laub liegen.
»Verzeihung«, sagt der Mann und dreht sich um, und mir wird klar, dass ich direkt in die Augen des Nachbarn von gegenüber schaue. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
Ich spüre, wie ich scharlachrot anlaufe. »Ja.« Ich klinge atemlos. »Aber es war meine Schuld. Ehrlich. Ich sollte besser darauf achten, wohin ich gehe.«
Von nahem ist er ziemlich atemberaubend. Ich kann kaum seinem Blick standhalten, konzentriere mich stattdessen auf seinen perfekt geschnittenen, dunklen Anzug und den Strauß weißer Pfingstrosen in seiner Hand. Wie merkwürdig, denke ich, er hat meine Lieblingsblumen dabei.
»Ihre Tüte«, sagt er. Seine Stimme ist tief, und seine Sprachmelodie lässt auf eine gute Herkunft und beste Bildung schließen. Er tritt einen Schritt vor, als ob er mein Eis aus der Gosse heben will.
»Nein, nein«, rufe ich rasch, während ich noch stärker erröte. »Das mache ich schon.«
Wir beugen uns beide vor und greifen gleichzeitig nach der Tüte, und plötzlich liegt seine Hand auf meiner, warm und schwer. Ich schnappe nach Luft und ziehe meine Hand zurück, und prompt stolpere ich und drohe, hinzufallen. Augenblicklich packt er entschlossen meinen Arm und verhindert so, dass ich voll auf der Nase lande.
»Alles in Ordnung?«, fragt er, während ich mein Gleichgewicht wiederherzustellen suche. Mein Gesicht brennt vor Scham.
»Ja. … danke … Entschuldigung«, stammele ich, weil ich an nichts anderes denken kann als an seinen festen Griff um meinen Arm. »Sie können mich jetzt loslassen.«
Er lässt mich los, und ich beuge mich vor, um die Tüte mit der deutlich sichtbaren Eiscremeschachtel aufzuheben. Ein paar Blätter kleben an der Tüte. Ich wische mir mit der Hand über das Gesicht und spüre Straßenschmutz. Ich muss schrecklich aussehen.
»Genau das richtige Wetter für ein Eis.« Er lächelt. Ich schaue ihn scheu an. Liegt da leichter Spott in seiner Stimme? Vermutlich bin ich einfach nur irgendein namenloses Mädchen, mit Straßenschmutz im Gesicht, die eine Tüte mit Eis an sich presst wie ein Kleinkind seine Nascherei. Er dagegen ist ein anderes Kaliber. Seine Augen sind so dunkel, dass sie beinahe schwarz erscheinen, aber vor allem seine Augenbrauen fallen mir auf: nachtschwarze Striche, deren Bögen eine Spur gefährlich wirken. Er besitzt eine dieser gerade gewachsenen Nasen, deren leichter Knick auf dem Nasenrücken seltsamerweise nur zu ihrer Perfektion beiträgt, und darunter einen vollen, sinnlichen Mund, obwohl sich die Lippen momentan zu einem Lächeln verziehen und perfekte, weiße Zähne zeigen.
Ich kann nur noch eines denken: Wow! Außer einem Nicken bringe ich nichts zustande. Ich bin vollkommen sprachlos.
»Tja, dann gute Nacht. Genießen Sie Ihr Eis.« Er dreht sich um und läuft rasch die Treppe zum Haus hoch, bevor er dann im Innern verschwindet.
Ich stehe wie festgewachsen im Rinnstein, schaue ihm nach, spüre den Straßenkies zwischen den Zehen. Dann atme ich tief ein. Solange er mich ansah, hatte ich nicht atmen können. Ich fühle mich merkwürdig, ein wenig überwältigt, mit einer Art Summen in meinem Kopf.
Langsam gehe ich ebenfalls zur Tür. Oben in Celias Wohnung angekommen, trete ich sofort ins Wohnzimmer. Jetzt brennt in der Wohnung gegenüber Licht, und ich kann den Mann deutlich sehen. Ich hole einen Löffel aus der Küche, gehe wieder ins Wohnzimmer und ziehe einen Stuhl vor das Fenster – nahe genug, dass ich mühelos hinüberschauen kann, aber nicht so nahe, dass ich selbst zu sehen bin. Ich nehme die Eiscreme aus der Tüte und beobachte, wie der Mann sein Wohnzimmer betritt und wieder verlässt. Er hat sein Jackett ausgezogen und die Krawatte abgelegt und läuft in einem blauen Hemd und dunklen Hosen herum, was auf lässige Weise sexy wirkt. Das Hemd betont seine breiten Schultern, und die Hosen unterstreichen seinen langgliedrigen, maskulinen Körperbau. Es ist, als wolle er zu einem Mode-Shooting für ein Herrenmagazin. Mir fällt auf, dass ein Esstisch mit Stühlen in seinem Wohnzimmer steht. Das ist nur logisch. Wenn seine Wohnung genauso geschnitten ist wie die von Celia, dann ist seine Küche nur ein schmaler Gang. Für Celia ist Essen offenbar nicht wichtig genug, um sich mehr als den winzigen Zwei-Personen-Tisch in ihrer Küche anzuschaffen, aber dieser Mann will
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