Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
unangenehm, und sie helfen sogar, um mich zurück in die Gegenwart zu bringen. »Ist ja gut, tut mir leid, ich störe dich nicht noch einmal. Und jetzt will ich wieder zusehen.«
Mr R. holt die Flasche aus dem Eiskübel. Die Frau nimmt die beiden Gläser vom Tisch. Sie lacht und sagt etwas, während Mr R. die Folie vom Flaschenhals zieht und den Drahtverschluss um den Korken löst. Auch er lacht. Zweifelsohne ist sie nicht nur schön und elegant, sondern auch geistreich und intelligent. Wie kommt es, das sich bei manchen Menschen die guten Feen ein Stelldichein zu geben scheinen und sie mit Füllhörnern an Segnungen überschütten? Das ist einfach nicht fair.
Es ist merkwürdig, die beiden zwar zu beobachten, aber nichts zu hören. Ich habe ein Bild, aber keinen Ton, und am liebsten würde ich nach der Fernbedienung greifen und nachsehen, ob ich nicht versehentlich auf ›stumm‹ geschaltet habe.
Lautlos springt der Korken aus der Flasche, und weißer Schaum ergießt sich. Die Frau hält ihm die Gläser entgegen, und Mr R. schenkt ein, wartet immer wieder kurz, bis der Schaum sich in goldene Flüssigkeit wandelt. Dann stellt er die Flasche ab, nimmt ihr ein Glas ab und sie stoßen an, bevor sie trinken. Ich schaue so intensiv zu, dass ich beinahe das Prickeln des Champagners auf meiner Zunge spüren kann. Mit welchen Worten haben sie sich zugeprostet? Was feiern sie?
In meiner Vorstellung höre ich ihn sagen: ›Auf dich, meine Geliebte.‹ Ich wette, Schauer durchlaufen ihren Körper, wenn sie ihn so etwas Intimes und Erotisches sagen hört. Ich möchte so sehr Teil ihrer Welt sein, dass ich mich nur mit Mühe davon abhalten kann, aufzuspringen und zu winken und – sobald sie mich bemerken – das Fenster zu öffnen und zu fragen, ob ich nicht rüberkommen und mitmachen darf. Sie wirken so gelassen, so glücklich, so erwachsen – so unerreichbar. Ich sehe ihnen zu, wie sie trinken und sich unterhalten, zum Sofa gehen und sich setzen und noch mehr reden, und dann verlässt Mr R. den Raum. Die Frau bleibt allein zurück. Sie nimmt einen Anruf auf ihrem Handy entgegen, lehnt sich zurück, während sie spricht und zuhört. Plötzlich verändert sich ihr Gesichtsausdruck, wird hart, grausam und stolz, sie spricht schneller und, das spüre ich, auch lauter. Nach einer kurzen Tirade in das Handy beendet sie das Gespräch mit einem kräftigen Klopfen auf das Display. Sie wirft den Kopf in den Nacken.
Mr R. kommt wieder in den Raum. Er bringt die Teller mit dem Abendessen. Bestimmt hat er sie gehört, so laut, wie sie ganz offensichtlich geredet hat, wenn sie nicht sogar brüllte – aber sie verhalten sich ganz normal, lächeln einander trotzdem an. Sie erhebt sich vom Sofa und geht zum Tisch, um das Essen zu betrachten, während er wieder hinausgeht und Sekunden später mit mehreren Schüsseln zurückkehrt. Ich kann nicht erkennen, was sich darin befindet, aber das scheint es nun gewesen zu sein. Sie setzen sich an den Tisch und ich beobachte sie sehnsüchtig, wünsche mir, ich könnte irgendwie dort drüben sein. Nicht nur bei ihnen am Tisch, sondern auch Teil einer völlig anderen Welt, einer Welt mit mehr Anmut und Stil, als meine eigene, gewöhnliche Existenz sie zu bieten hat.
Das Licht schwindet, und der Raum, in den ich schaue, wird immer heller und lebendiger, während die ihn umgebende Dämmerung zunimmt. Mr R. steht auf, geht zum Fenster und schaut hinaus. Ich halte den Atem an. Er schaut direkt in meine Richtung, bestimmt sieht er mich …
Was wird er tun?
Plötzlich sehe ich nichts mehr. Ein weißer Rollovorhang wird herabgelassen, blendet meine Sicht einfach aus.
Ich atme aus, fühle mich beraubt. Sie sind weg. Ich habe sie nicht ausgeschaltet, sie haben mich ausgeschaltet. Hinter dem Vorhang geht ihr zauberhaftes Leben weiter, während ich draußen allein zurückbleibe.
Ich kann kaum fassen, wie einsam ich mich fühle. Ich lege meine Hand auf De Havilland, spüre seine Wärme, versuche, Trost aus dem andächtig schlafenden Katzenkörper zu ziehen. Stattdessen kommen die Tränen.
3. Kapitel
Am nächsten Tag schlafe ich aus, was ungewöhnlich für mich ist. Als ich die Vorhänge zurückziehe, ist der Himmel wolkenlos blau, und warmes Sonnenlicht flutet herein. Ich verbringe den Vormittag faul mit irgendwelchem Kleinkram, singe laut zu Celias altem Transistorradio, packe meinen Koffer aus und räume in der Küche auf. Ich wollte eigentlich erst zur National Gallery und dann zur
Weitere Kostenlose Bücher