Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
sichtlich etwas Zivilisierteres.
Ob er kochen kann?, frage ich mich. Wer ist er? Was macht er von Beruf? Ich muss ihm einen Namen geben. ›Der Mann‹ ist nicht plastisch genug. Wie soll ich ihn nennen? Tja, natürlich
Mister
Irgendwas, da wir einander noch nicht vorgestellt wurden und so ein Vorname etwas sehr Intimes ist. Es wäre außerdem komisch, ihn Sebastian oder Theodore zu nennen, nur um dann herauszufinden, dass er Reg oder Norm heißt. Nein, ich brauche etwas, das geheimnisvoll und dehnbar ist, etwas, in dem noch alle Möglichkeiten schlummern …
Mr R.
Ja, das ist es. Ich werde ihn Mr R. nennen.
Wie in Randolph Gardens. Das passt irgendwie zu ihm.
Mr R. kommt wieder in sein Wohnzimmer, in der Hand einen Eiskübel und zwei Gläser. Aus dem Kübel ragt ein vielversprechender, in Goldfolie gehüllter Korken. Zwei Gläser – also erwartet er Besuch. Außer er will in jeder Hand ein Glas halten. Die Blumen sind nirgends zu sehen. Ich ziehe die Beine hoch, mache es mir wie ein Schulkind im Schneidersitz auf dem Stuhl bequem und nehme den Deckel von der Eiscreme. Ich schabe ein großes Stück Eis mit dem Löffel ab und schlecke es langsam, lasse es auf der Zunge schmelzen, genieße das süße, kalte Kitzeln in meinem Rachen. Es ist Vanilleeis ohne alles, genau so, wie ich es mag.
Mr R. verschwindet wieder, und dieses Mal bleibt er lange fort. Ich habe ein Viertel der Eiscreme aufgegessen, und De Havilland hat sich in der Kuhle zwischen meinen Beinen niedergelassen und ist sofort schnurrend eingeschlafen. Da kommt er zurück. Offenbar hat er geduscht und sich umgezogen. Jetzt trägt er eine weit geschnittene Leinenhose und ein blaues T-Shirt, was – das versteht sich von selbst – umwerfend an ihm aussieht. Und er ist nicht allein.
Ich schnappe nach Luft, als ich sie sehe, dann rolle ich innerlich mit den Augen. ›Hat er etwa kein Recht auf eine Freundin? Er weiß doch nicht einmal, wer du bist! Hast du irgendeine Art von Anspruch auf ihn, nur weil du ihn zwei Nächte lang angestarrt hast?‹
Ich muss angesichts meiner eigenen Abgedrehtheit beinahe laut auflachen und doch – diese merkwürdige Intimität, in seine Wohnung schauen zu können, hat mir das Gefühl vermittelt, als bestünde eine Art von Verbindung zwischen uns. Natürlich nur in meiner Phantasie, aber trotzdem, ich kann dieses Gefühl kaum abschütteln. Ich beuge mich vor, um mir seine Freundin genauer anzuschauen.
Na schön, genau so, wie ich es mir dachte. Es ist natürlich völlig albern, wenn ich mir einbilde, ich könnte jemals mit einer solchen Frau konkurrieren.
Frau? Das trifft es nicht im mindesten. Sie ist eine Lady. Eine richtige, erwachsene Lady, die Art von Dame, im Vergleich zu der ich mir wie ein ungelenkes, unreifes Mädchen vorkomme. Sie ist groß und schlank und von einer Eleganz, die man sich nicht antrainieren kann. Sie trägt einen Hosenanzug aus hellem Leinenstoff und ein weißes T-Shirt unter der Jacke. Ihre dunklen Haare sind zu einem lockigen Bob geschnitten, und sie trägt knallroten Lippenstift auf eine Weise, die von Stil zeugt, nicht von billiger Anmache. Ich sehe, dass sie einen schönen Knochenbau hat und wirklich hinreißend ist, als sei sie gerade den Seiten der französischen
Vogue
entstiegen. Sie ist eine von den Frauen, die niemals schäbig oder verschwitzt aussehen und deren Pferdeschwanz niemals schlaff auf den Rücken hängt. Sie würde nie stolpern und im Rinnstein landen oder ein dreckverschmiertes Gesicht haben.
Sie ist eine von den Frauen, denen man weiße Pfingstrosen schenkt und mit denen man in einem Apartment in Mayfair eine Flasche Champagner genießt. Ich wette, sie hat noch nie, nur mit einer Katze als Gesellschaft, Eis aus der Schachtel gegessen, weil ihr Freund lieber mit einer anderen vögelte.
Allein der Gedanke an Hannah (mein Gott, ich werde niemals vergessen können, wie sie nackt im Bett lag, mit bloßen Brüsten, gekrönt von dunklen Brustwarzen, ihr Bauch feucht vor Schweiß), und die Eiscreme in meinem Mund schmeckt säuerlich. Ich stelle das Eis zur Seite und verärgere dadurch De Havilland, weil ich mich über ihn beugen muss. Er fährt seine Klauen aus und versenkt sie in mein nacktes Bein, nur gerade so tief, um mich wissen zu lassen, dass er Haltungsänderungen nicht schätzt. Dann zieht er seine Krallen wieder zurück.
»Aua, du böses Kätzchen«, sage ich, meine es aber nicht ernst. Die kleinen Nadelstiche durch seine scharfen Krallen sind nicht
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