Fire after Dark - Dunkle Sehnsucht
sich. Ich starre zurück. Unsere Blicke treffen sich, obwohl wir zu weit voneinander entfernt sind, um die Nuancen im Blick des anderen lesen zu können.
Dann presse ich meinen Daumen in einer fast unwillkürlichen Bewegung auf den Schalter, und die Lampe geht gehorsam aus, taucht den Raum in Dunkelheit. Jetzt kann er mich nicht mehr sehen. Doch sein Wohnzimmer ist für mich immer noch hell erleuchtet, sogar noch heller, weil ich jetzt aus der Dunkelheit hinüberschaue. Der Mann tritt ans Fenster, stützt sich auf dem Sims ab und starrt intensiv herüber, versucht offenbar angestrengt, noch etwas zu erkennen. Ich erstarre, mir stockt der Atem. Ich weiß nicht, warum es so wichtig scheint, dass er mich nicht sehen kann, aber ich kann dem Impuls nicht widerstehen, im Verborgenen zu bleiben. Er schaut noch ein paar Augenblicke länger, immer noch mit gerunzelter Stirn, und ich spähe zu ihm hinüber, unfähig, mich zu bewegen. Trotzdem bewundere ich die Form seines Oberkörpers und wie sein ausgeprägter Bizeps anschwillt, wenn er sich nach vorn beugt.
Dann endlich wendet er sich ab und geht tiefer in den Raum hinein. Ich ergreife die Gelegenheit, schlüpfe aus dem Wohnzimmer in den Flur hinaus und schließe die Tür hinter mir. Hier gibt es keine Fenster, hier kann ich nicht gesehen werden. Ich stoße einen tiefen Seufzer aus.
»Was sollte das denn bedeuten?«, frage ich laut, und der Klang meiner Stimme beruhigt mich. Ich muss lachen. »Also schön, das reicht jetzt. Der Typ denkt sonst noch, ich sei total durchgeknallt, wenn er mich zur Statue erstarren sieht, sobald ich das Gefühl habe, er könne mich im Dunkeln sehen. Ab ins Bett.«
Gerade noch rechtzeitig fällt mir De Havilland wieder ein. Ich öffne die Wohnzimmertür, damit er herauskann, wenn er will. In der Küche steht sein Katzenklo, zu dem er Zugang haben muss, also lasse ich auch die Küchentür offen. Ich will das Licht im Flur löschen, zögere kurz, dann lasse ich es doch an.
Ich weiß, es ist kindisch zu glauben, Licht könne Monster vertreiben und einem Einbrecher und Mörder vom Leib halten, aber ich bin allein an einem fremden Ort und ich finde, dass ich das Licht heute Nacht ruhig anlassen kann.
Selbst als mich die flauschige Weichheit von Celias Bett einhüllt und ich so müde bin, dass mir die Augen zufallen, bringe ich es nicht über mich, die Nachttischlampe zu löschen. Zu guter Letzt beleuchtet sie mich die ganze Nacht mit ihrem sanften Schein, aber ich schlafe zu tief, um es zu bemerken.
2. Kapitel
»Hallo, entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wo ich den Lie Cester Square finde?«
»Wie bitte?« Ich bin verwirrt, muss im grellen Morgenlicht blinzeln. Über mir entfaltet sich ein strahlend blauer Himmel, mit nur einer schwachen Andeutung von Wolken in der Ferne.
»Der Lie Cester Square«, wiederholt sie geduldig. Ihr Akzent ist amerikanisch. Sie trägt einen Sonnenhut und eine große Sonnenbrille und die typische Touristenuniform aus rotem Polohemd, weiten Hosen und Turnschuhen, mit dem obligatorischen, kleinen Rucksack auf dem Rücken. In der Hand hält sie einen Reiseführer. Ihr Ehemann, beinahe identisch gekleidet, steht stumm hinter ihr.
»Lie Cester?« Es ist mir ein Rätsel. Ich bin von den Randolph Gardens zur Oxford Street gelaufen, eine der großen Shoppingmeilen Londons, wo ich nun gemütlich schlendere, die Menschenmassen beobachte, die selbst zu dieser relativ frühen Stunde schon unterwegs sind, und die Schaufensterauslagen bestaune. Kaum zu glauben, dass all diese Geschäftigkeit nur zehn Minuten Fußweg von Celias Wohnung entfernt liegt. »Ich … ich weiß nicht genau.«
»Schauen Sie, hier soll es sein«, sagt die Frau und zeigt mir die Karte in ihrem Reiseführer. »Ich möchte die Statue von Charlie Chaplin sehen.«
»Oh, der Leicester Square, aber natürlich …«
»Lester?«, wiederholt sie verwirrt und wendet sich an ihren Mann. »Sie sprechen es Lester aus, Schatz. Ehrlich, wenn man sich hier nicht auskennt, ist man verloren.«
Ich will ihr sagen, dass ich selbst Touristin bin, aber irgendwie schmeichelt es mir, dass sie denkt, ich würde mich hier auskennen. Ich muss wie eine Londonerin aussehen. Also nehme ich die Karte zur Hand und studiere sie aufmerksam. »Ich glaube, Sie kommen von hier aus zu Fuß hin. Gehen Sie zum Oxford Circus hoch, dann die Regent Street bis zum Piccadilly Circus und dann nach links, dann kommen Sie direkt zum Leicester Square.«
Die Frau strahlt mich an. »Oh, ich
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