Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
wettergegerbte, erfahrene Art und Weise. Seine Haut ist sonnengebräunt, und tiefe Falten ziehen sich um seinen Mund und über seine Stirn, lassen ihn hart wirken. Sein Mund ist breit und lächelt für gewöhnlich nicht. Die kräftige Unterlippe verleiht ihm eine entschiedene Aura. Seine Nase ist zu groß, um klassisch schön zu sein, aber sie passt zu ihm, ebenso das markante Kinn. Ein interessantes Gesicht, denke ich, ein Gesicht, das man lange Zeit betrachten kann. An diesem Tag trägt er ein weißes Hemd und ein dunkles Jackett, das seine muskulösen Schultern ausfüllen. Ihn umgibt eine Art leise vibrierende Kraft. Vor meinem inneren Auge entsteht das Bild eines jungen Dubrovski, der seine Konkurrenten ausschalten will und dabei in dunklen Gassen seine Fäuste einsetzt, um sich so seinen Platz in der Welt zu erobern. Der Gedanke lässt mich leicht schaudern.
Der Abt redet langatmig, während zwei schwarz gekleidete Mönche um den Tisch gleiten und das Mahl auftischen. Dubrovski hört unserem Gastgeber offensichtlich kaum zu. Mark beobachtet ihn aufmerksam, bereit, jedem Fingerzeig zu folgen. Endlich kommen Platten mit Reis und gewürztem Fleischeintopf, aber gerade, als wir zu essen anfangen wollen, klatscht der Abt in die Hände, schließt die Augen und beginnt ein langes Dankgebet in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Ich senke höflich den Blick, merke aber dennoch, dass Dubrovski nicht wartet. Er beginnt mit beinahe unanständiger Eile, seinen Eintopf zu essen. Der Abt blickt verwundert, als er die Augen öffnet und feststellt, dass sein Gast bereits begonnen hat, aber er sagt nur: »Guten Appetit, Sir.«
Ich probiere einige Bissen vom Eintopf. Er schmeckt köstlich, und plötzlich wird mir klar, wie hungrig ich bin. Es muss die Bergluft sein, die meinen Appetit so entfacht – und außerdem habe ich das Gefühl, dass uns zum Essen nicht viel Zeit bleiben wird.
Es überrascht mich gar nicht, als Dubrovski wenige Augenblicke später seinen halbvollen Teller von sich schiebt, aufsteht und erklärt: »Also gut! Genug gewartet. Jetzt sehen wir uns das Bild an.«
Obwohl keiner der anderen auch nur halbwegs fertig ist – der Abt hat kaum angefangen –, leisten wir seiner Aufforderung Folge. Wir lassen unser Essen stehen und erheben uns.
Wenn er sagt ›spring‹, springen wir . Mark und ich tauschen einen Blick aus. Der große Moment ist so gut wie da.
Von dem Mönch, der uns bei unserer Ankunft begrüßte, werden wir in einen weiteren Gang geführt. Er öffnet eine Holztür und bringt uns in eine kleine Kapelle. Sie ist wunderschön, mit Fresken an allen Wänden. Ich möchte am liebsten stehen bleiben und sie ansehen, aber stattdessen treten wir an den kleinen, schmucklosen Altar, wo uns eine Tafel erwartet, die mit einem Tuch abgedeckt ist. Mein Atem geht schneller, Schmetterlinge flattern nervös in meinem Magen. Ich habe keine Ahnung, ob ich hoffen soll, dass wir gleich ein bisher unbekanntes Meisterwerk zu sehen bekommen, oder nicht.
Der Mönch lächelt. Er ist erfreut und stolz, als er auf den verborgenen Schatz zeigt. Der Abt steckt seine Hände in seine Ärmel und schaut zu. Wir starren alle, angespannt und erwartungsvoll, aber Dubrovski steht am meisten unter Strom. Ich glaube, er hält sogar den Atem an. Das hier ist ihm wirklich wichtig. Erstaunlich, solch eine Leidenschaft zu haben und sie auch ausleben zu können, denke ich. Mir wird klar, dass ich ihn ansehe und nicht die Tafel unter dem Tuch, die gleich enthüllt werden soll.
Er hat wirklich eine magnetische Ausstrahlung.
Dann schaut er auf, und der kraftvolle, blaue Strahl seines Blickes erfasst mich. Eine mächtige Welle läuft wie elektrischer Strom durch mich hindurch: Ist das Angst? Sollte ich ihn besser nicht ansehen? Einen Augenblick lang fürchte ich, er könnte mich anherrschen, aber zu meinem Erstaunen wird sein Blick weich, und ein Lächeln umspielt seinen breiten Mund. Die Erleichterung, die mich durchströmt, ist fast süß, und ohne darüber nachzudenken, erwidere ich das Lächeln. Eine Sekunde lang hat es den Anschein, als ob wir zwei Verschwörer seien, die ihre Aufregung über das Bild teilen. Als ob er zu mir sagt: Lassen Sie uns so tun, als würde es uns nicht so viel bedeuten, wie es wirklich der Fall ist . Dann schaut er wieder zum Altar, und unsere Verbindung ist unterbrochen.
Der Mönch greift nach dem Tuch und sagt: »Sir, voller Stolz enthülle ich Ihnen ein verlorenes Meisterwerk des heiligen Bruders
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