Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
ich daran vorbeikomme. Das muss Marcias Ersatz sein. Niemand sieht mich, als ich durch die Wohnungstür gehe und hinaus auf den überdachten Gartenweg trete. Ich bin froh, heute frei zu haben. Auf die Kunst hätte ich mich heute nicht konzentrieren können.
Ich bin allerdings nicht so müde, wie ich erwartet habe, und ich habe auch keine Lust, in meine leere Wohnung zu gehen und den Tag zu verschlafen. Außerdem ist mir auf unerklärliche Weise komisch zumute. Dann kommt mir eine Idee. Ich muss zu James. Ich habe ihn eine Weile nicht gesehen, und er fehlt mir.
Bis zu seiner Galerie ist es nicht weit, die Savile Row entlang, quer über den Hanover Square, dann über die Oxford Street und die Regent Street und zuletzt durch eine kleinere, windige Gasse zur Riding House Gallery. Sie sieht noch genauso aus wie an jenem ersten Tag, als ich dort am Anfang des Sommers zufällig hineingegestolpert war. Es fühlt sich an, als sei das in einem anderen Leben gewesen. Die Anzeige im Schaufenster, dass ein Galerieassistent auf Zeit gesucht werde, hat mein Leben verändert, denn James beschloss, es mit einer jungen Frau zu riskieren, die einfach von der Straße hereinmarschierte und sich auf die Stelle bewarb. Der einzige Unterschied zu damals ist, dass heute ein anderer Künstler ausgestellt ist und neue Gemälde die weißen Wände im Innern zieren. Durch die Schaufensterscheibe sehe ich Salim, den Assistenten von James, an seinem Schreibtisch. Er betrachtet etwas auf seinem Computerbildschirm. James selbst ist nirgends zu sehen.
»Hallo, Salim«, sage ich, als ich eintrete. »Na, wie geht es dir?«
»Beth, hallo.« Salim grinst. Wir sind uns ein paarmal begegnet, seit er seinen alten Job wieder aufgenommen hat. »Schön, dich zu sehen. Bist du hergekommen, um mit James zu sprechen?«
Ich nicke. »Ist er da?«
»Er ist unten, regt sich über sein eigenes Ablagesystem auf. Ich habe versucht, ihm eine bessere Methode zu zeigen, aber er hört einfach nicht zu.«
»Danke.« Ich steige die schmale Treppe nach unten, und lautes Fluchen sagt mir, wo ich James finden kann. Knietief zwischen Pappkartons eingekeilt, geht er einen Stapel vergilbender Papiere durch. »Keine Sorge, es taucht garantiert erst da auf, wo Sie zu allerletzt suchen!«, verkünde ich und lächele, als ich den winzigen Ablageraum betrete.
James schaut überrascht auf, dann lächelt er breit. »Das ist sehr hilfreich.« Er stützt die Hände auf die Hüften und seufzt. Seine Brille ist staubig, und über seine Wange zieht sich ein grauer Streifen. »Verdammter Papierkram, wie ich das hasse. Von Idioten erfunden!«
»Geht es um etwas Wichtiges?«
»Ach, ich muss die Herkunft eines Kunstwerkes beweisen, und ich bin absolut sicher, dass ich die entsprechenden Dokumente irgendwo habe. Aber Gott allein weiß, wo genau.«
»Sie sollten aufhören, alles einfach in Kartons zu werfen mit dem vagen Vorsatz, die Sachen irgendwann zu sortieren. Das tun Sie ja eh nie.«
James bedenkt mich mit einem vielsagenden Blick. »Ja, vielen Dank für diesen Rat. Wenn ich das nächste Mal jemand brauche, der mir das Offensichtliche erklärt, dann weiß ich, an wen ich mich zu wenden habe. Sie sind genauso schlimm wie Salim. Aber …« Sein Gesichtsausdruck klärt sich, »… wo Sie schon einmal da sind, kann ich auch eine Pause einlegen und die Angelegenheit fünf Minuten lang vergessen. Hat Mark Sie von der Leine gelassen?«
»Nicht Mark«, sage ich vorsichtig, »offen gestanden, arbeite ich momentan für Andrei Dubrovski.«
Ich genieße den Anblick, wie sich die Überraschung über sein Gesicht ausbreitet. Er wischt sich die staubigen Hände an der Hose ab. »Ich glaube, wir brauchen jetzt einen Kaffee. Pronto. Auf geht’s.«
Zehn Minuten später sitzen wir in einem Café in der Nähe. Vor uns stehen zwei Tassen mit schaumigem Cappuccino. In aller Kürze erläutere ich James, was in letzter Zeit passiert ist. Er blinzelt mich hinter seinen kleinen, runden Brillengläsern an. Sein Gesicht ist schmal, mit hohen Wangenknochen und kleinen Einbuchtungen darunter, und er sieht wie ein Professor oder ein altmodischer englischer Buchliebhaber aus. Aber ich weiß, in ihm steckt sehr viel mehr, als man auf den ersten Blick denkt – er hat viel gesehen und weiß viel und ist nur schwer zu schockieren. Dennoch erstaunen ihn meine Enthüllungen.
»Sie bringen sich wirklich in reizende Verwicklungen, Beth.« Er rührt seinen Kaffee um. »Doch das ist selbst für Ihre Verhältnisse
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