Fire after Dark - Tiefes Begehren: Roman (German Edition)
Haare der jungen Frau sind naturalistisch, mit Blau- und Lavendeltönen, und ihre Proportionen sind realistisch, weshalb das Bild mehr wie ein Porträt aus dem späten 19. Jahrhundert oder sogar dem frühen 20. Jahrhundert wirkt. Der einzige Hinweis, dass es sich tatsächlich um einen Fragonard handelt, ist der kleine Finger, der sich scheinbar ohne Gelenke biegt. Abgesehen davon hätte ich den Maler nie und nimmer erraten.
Der Galeriebesitzer hat mich beobachtet, während ich all das bedenke, und jetzt sagt er: »Ja, es ist nicht der Stil, für den er berühmt ist. Zweifellos denken Sie gerade an seine hochartifiziellen Werke. Möglicherweise kennen Sie sich in seinen Porträtarbeiten nicht so gut aus, aber er übte einen großen Einfluss auf die Impressionisten aus, einschließlich Renoir. Ja, das ist ein Bild von seiner Hand.« Der Galeriebesitzer erwärmt sich etwas für mich, genießt meine sichtliche Verblüffung. »In Washington hängt ein ähnliches Werk. Schauen Sie nach, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Und was soll es nun kosten?«
Er schaut mich beinahe mitleidig an. »Mehr, als Sie sich leisten können, meine Liebe. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich muss jetzt schließen.«
Ich lasse mich von ihm aus der Galerie führen. Meine Gedanken wirbeln durcheinander. Es ist so unglaublich schön. Könnte das die Mona Lisa für Andreis Badezimmer sein? Wie umwerfend würde diese junge Frau dort aussehen, ihre Seide in rosa und gelb, ihre warme, rosige Haut vor dem grauen Marmor! Aber wäre es nicht verkehrt, sie dort aufzuhängen, wo niemand außer Andrei sie jemals sehen wird? Sie sollte in seinem Salon hängen, vielleicht gegenüber des Napoleon-Bildes, ihre heitere Friedlichkeit in Kontrast zu seinem prahlerisch-überheblichen Streben nach Macht, ihre stille Lektüre vor dem Lärm und Säbelrasseln des Schlachtfeldes.
Ich schaue sie noch ein letztes Mal an, bevor ich mich zum Gehen wende. Ich werde Mark fragen. Er weiß es am besten. Ich nehme mir vor, ihn schon bald aufzusuchen.
Viertel vor acht komme ich zu dem großen Apartmentgebäude von Randolph Gardens. Es ist so lange her, seit ich zum letzten Mal im Boudoir war, darum möchte ich die Atmosphäre erspüren, bevor Dominic und ich uns dort wiedersehen. In der Lobby des alten Gebäudes rufe ich mir in Erinnerung, dass ich nach links, nicht nach rechts muss, wie früher immer, als ich noch bei meiner Patentante Celia wohnte. Der kleine Aufzug bringt mich in den siebten Stock, und als ich aussteige, erinnere ich mich wieder an die ersten Male, als ich in diesen Flur trat, nervös, weil ich nicht wusste, was mich im Boudoir erwarten würde, aber auch zutiefst erregt und sicher, dass es eine unvergessliche Erfahrung würde. Und so kam es dann auch immer. Wie sehr ich das vermisst habe.
Und jetzt bin ich wieder hier , denke ich. Glücksgefühle steigen in mir auf. Gleich bin ich wieder mit Dominic zusammen. Ich habe das Gefühl, als ob erst das jetzt unser echtes Wiedersehen ist.
Ich schließe die Wohnungstür auf. Das kleine Apartment fühlt sich verlassen und ungeliebt an. Ich gehe durch die wenigen Räume, die jetzt staubig und etwas kühl sind. Es ist verrückt, diese Wohnung leer stehen zu lassen, aber ich will hier nicht allein wohnen, es wäre zu einsam. Ich dachte immer, Dominic und ich könnten das Boudoir als Zuflucht nutzen, aber dann ging er weg, und seitdem steht es leer, wartet darauf, dass er zurückkommt. Ebenso wie ich.
Zuletzt betrete ich das Schlafzimmer. Nachdem Dominic gegangen war, hatte ich das Zimmer gründlich aufgeräumt und es sauber und ordentlich hinterlassen, nur für den Fall, dass er unerwartet zurückkehren sollte. Wenn ich damals gewusst hätte, wie lange ich darauf warten musste, hätte ich dabei geweint. Aber das gehört jetzt alles der Vergangenheit an.
Das Bett ist noch dasselbe, mit seinen massiven Bettpfosten und den Eisenstäben am Kopfende, die so nützlich sind, wenn man Handschellen oder Seidenfesseln befestigen will. Gegenüber befindet sich der Wandschrank, in dem einige der Gerätschaften ruhen, die Dominic so gern an mir zum Einsatz gebracht hat, zusammen mit Seilen und Augenbinden. Ich erschauere leicht, als ich mich an die erotischen Reisen erinnere, auf die er mich mitgenommen hat. Drüben in der Ecke steht der weiße Lederstuhl, lang und schmal und mit schräg nach oben laufender Rückenlehne, mit Stellen, an denen man Hände oder Füße anbinden kann, damit der Körper fixiert ist für den Kuss
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